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Antifaschismus Repression

Repressionen im Rahmen des Protestes gegen die AfD-Infostände

Thema Repressionen und ihre mediale Darstellung – es ist so frustrierend, man muss einmal was dazu schreiben.

Am 30.09. wollte die AfD wieder einen Infostand am Haarmannsbrunnen in Osnabrück stattfinden lassen. Wieder haben wir vom Bündnis „Den Rechten die Räume nehmen“ Protest organisiert. Wie bereits zwei Wochen zuvor wurde der Ort des Infostandes der AfD mittels Sprühkreide mit dem Schriftzug „FCK AFD“ verschönert. Dieses mal nahm die Polizei drei Aktivist*innen vor Beginn des Gegenprotestes brutal fest, denen sie vorwirft den Schriftzug gemalt zu haben, obwohl sie bereits da wusste, dass es sich um strafrechtlich irrelevante Sprühkreide handelte, also juristisch nicht mal ansatzweise Sachbeschädigung ist. Auf der Polizeiwache musste sich die einzige weibliche Aktivistin entkleiden, einschließlich Unterwäsche. Die entsprechenden NOZ- und Hasepost-Artikel werden einige vielleicht vor Augen haben.

Dieses Vorgehen beobachten wir bei der Osnabrücker Polizei leider nicht zum ersten Mal. Noch Demütigenderes passierte der Klima-Aktivistin Lynn auf derselben Wache. All das reiht sich ein in eine gegenwärtige Repressionspraxis, die von massiver hochgerüsteter und bewaffneter Polizeipräsenz bei Demos und anderer Schikane durch die Polizei, über Hausdurchsuchungen, Benachteiligung und Gängelung durch Behörden bis hin zu Vorbeugehaft, Langzeitgewahrsam, politisch geführten Gerichtsverfahren und Haftstrafen reicht. Klima- und antifaschistische Strukturen können davon aktuell ein Lied singen, wenn auch ein sehr wütendes.

Was in diesem Kontext oft zu kurz kommt, ist, was Repressionen mit Betroffenen machen. Die Bilder der gewaltsamen Festnahmen, das Gefühl gepackt und zu Boden geschmissen zu werden, das Geräusch der einrastenden Handschellen und/oder der Moment des auf der Wache Entkleidens – all das bleibt den Betroffenen im Gedächtnis. Obwohl die Pressemitteilung des Bündnisses klare Worte fand, die Fälle als Repressionen benannte und ihre Dynamik aufzeigte, entschieden sich Hasepost und NOZ dazu, vor allem die Version der Polizei zu Papier zu bringen, welche jegliches Fehlverhalten natürlich von sich wies.

Deshalb zur Erinnerung: Pressemeldungen der Polizei abzudrucken ist kein Journalismus. Die Polizei ist keine (!) objektive Informationsinstanz, schon gar nicht zu Angelegenheiten, an denen sie selbst beteiligt ist, sondern schützt vor allem sich selbst. Um das Ganze abzurunden, waren die Artikel am Ende mit Drohgebärden über eine potentielle Verleumdungsklage geschmückt. Danke für Nichts. Dieses Vorgehen überrascht nicht, enttäuscht aber. Soll das die sogenannte „vierte Gewalt“ sein, auf deren Rolle so viele Blätter immer so stolz sein wollen? Journalismus geht anders.

Die Polizei behauptet beispielsweise, dass dem Ausziehen zugestimmt worden sei, weil die Betroffene ja nicht ausdrücklich widersprochen habe. Aber: 1. stehen Personen bei einer polizeilichen Maßnahme, besonders nach einer gewaltsamen Festnahme, ggf. noch unter Schock, sind eingeschüchtert und überrumpelt. Kooperation kann schlicht ‚Coping‘ darstellen. 2. Ist es gängige polizeiliche Praxis, nur geäußerten Widerspruch wahrzunehmen. Schweigen wird somit als Zustimmung gewertet. Mit aktiver Zustimmung hat das nichts zu tun. 3. Setzt die Polizei ihre Maßnahmen mit Zwang, also körperlicher Gewalt, durch. Man kann also nicht, wie von der Polizei suggeriert, einfach „Nein“ sagen und sie lassen es. All das könnten ernsthafte Journalist*innen einordnen und auch kritisieren. Ansonsten lässt sich die Berichterstattung auch der PR-Abteilung der Polizei überlassen.

Repressionen an sich sind schlimm genug. Öffentlich dafür an den Pranger gestellt zu werden, angeblich gelogen zu haben, was eine explizite Beschreibung des Geschehenen [also ein ‚öffentliches nackt machen‘] zur Bedingung für eine Entlastung macht, setzt aber noch einen drauf. Entmutigen lassen wir uns davon auf keinen Fall – wir stehen als Bündnis „Den Rechten die Räume nehmen“ an der Seite der von Repression Betroffenen! Zur Sensibilisierung und mit Journalist*innen vor Augen, die ihren Job ernst nehmen, wollen wir aber so transparent sein, zuzugeben, dass so etwas nachwirkt und dass auch sie an diesem Prozess der Nachwirkung beteiligt sind. 

Was Repressionen nämlich bewirken wollen, ist eine Isolation der Betroffenen in der Spekulation darauf, dass sie sich aus Angst und Scham wenig über ihre Erfahrungen und deren Folgen mitteilen und sich stattdessen langsam aber sicher aus der politischen Arbeit zurückziehen. In Bezug auf körperliche Scham zielt das insbesondere auf weiblich sozialisierte Aktivist*innen ab. Zusätzlich wird auf Spaltungen und Distanzierungen innerhalb aktivistischer Strukturen gepokert und darauf, dass die Erlebnisse, wenn sie denn weitergetragen werden, auch bei Dritten Bilder der Angst hervorrufen. Das größere Ziel ist dabei, emanzipatorische Bewegungen, die sich nicht mit ein paar Reförmchen und Symbolpolitik abfinden, nachhaltig zu lähmen. Diese Rechnung wurde offensichtlich ohne uns gemacht.

Wir bleiben dabei: kein Fußbreit der AfD und anderen rechten Kräften. Danke, dass ihr alle immer wieder vor Ort seid!