Redebeitrag auf der Anti-Kriegs-Demo von Fridays for Future am 03.03.2022:
Am 24. Februar eskalierte der lang anhaltende Konflikt zwischen Russland, der Ukraine und dem Westen indem Putin drei Tage nach Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk die Invasion der Ukraine veranlasste. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben die russischen Streitkräfte mehrere grenznahe Ortschaften unter ihre Kontrolle gebracht, die Stadt Cherson eingenommen und die Hauptstadt Kiew umzingelt. Weitere große Städte sind fortwährend Ziel von Artilleriebeschuss und Bombenabwürfen. In der Folge gibt es unzählige Tote auf ukrainischer Seite und bislang mindestens vier Millionen Menschen auf der Flucht. Die Ukraine versucht der militärischen Übermacht standzuhalten, indem die Bevölkerung zum Widerstand aufgerufen wird. In den Medien werden Anleitungen für die Herstellung von Brandsätzen verbreitet und Ukrainer*innen werden mit Sturmgewehren ausgestattet um die Streitkräfte zu unterstützen. Zudem herrscht ein Ausreiseverbot für alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren, damit diese für das Vaterland in die Schlacht ziehen, ob sie wollen oder nicht.
Der russische Staat wiederum versucht im eigenen Land den Krieg zu verschleiern: Russische Medien sehen sich der Zensur ausgesetzt, nicht nur, dass die Berichterstattung ganz grundsätzlich eingeschränkt ist, der Krieg darf zudem nur als „Militäroperation“ bezeichnet werden. Soziale Netzwerke sind nur noch eingeschränkt nutzbar. Teile der russischen Bevölkerung die den Mut aufbringen auf die Straße zu gehen und gegen den Angriffskrieg zu demonstrieren werden innerhalb kürzester Zeit inhaftiert, bekannte Aktivist*innen teilweise bereits, sobald sie nur das Haus verlassen. Es gab bereits mehrere Tausend Festnahmen. Die Stoßrichtung ist klar: Der Krieg soll in Russland unsichtbar gemacht werden.
Die Antwort auf der anderen Seite fällt jedoch nicht weniger rabiat aus. Ungeachtet dessen, dass die Logik Feuer mit Feuer zu bekämpfen schon seit jeher eine falsche ist, brechen nun hierzulande die über Jahrzehnte aufgebauten Dämme: Der Militäretat Deutschlands wurde mal eben um 100 Milliarden Euro erhöht, eine Summe deren Größe sich vermutlich die wenigsten tatsächlich vorstellen können. Damit wurde der deutsche Militärposten quasi über Nacht zum drittgrößten der Welt gemacht. Gleichzeitig werden die Stimmen nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht immer lauter. Und wieder sind es Grüne und SPD, welche eben zu dieser Militarisierung in der Lage sind. Nichts davon hilft in der gegenwärtigen Situation und es ist bezeichnet, dass solche Summen angesichts des drohenden Klimakollaps mit Verweis auf die Schuldenbremse und andere Ausflüchte nicht aufgefahren werden können. Wenn es um den Ausbau der eigenen geopolitischen Vormachtstellung geht, ist scheinbar jedes Mittel recht.
Doch Kriege werden nicht nur mit herkömmlichen Waffen geführt, so soll ein ganzer Katalog an Sanktionen vonseiten der NATO-Staaten und EU Putin die Konsequenzen seines Handelns bewusst machen. Die Mitgliedsstaaten haben mittlerweile ihren gesamten Luftraum für den russischen Flugverkehr gesperrt, selbst die sonst neutrale Schweiz zog mit. Firmen wie zum Beispiel Apple oder VW haben den Verkauf ihrer Produkte und ihre Dienstleistungen innerhalb Russlands eingestellt. Viel schwerwiegender wirken jedoch der Ausschluss Russlands aus dem europäischen SWIFT-Verfahren und das Einfrieren der russischen Zentralbankreserven. In der Folge kennt der bereits seit der Annektion der Krim im Jahr 2014 in einem Dauertief befindliche Rubel nur noch eine Richtung: immer weiter nach unten. Die Handelsbeziehungen mit Russland wurden von den EU-Mitgliedern und den USA weitestgehend eingestellt, russisches Öl und Gas fließen aber weiterhin im Rekordtempo durch die Pipelines, wurden sie doch explizit von den Sanktionen ausgespart. Ökonom*innen sprechen bereits von einem Finanzkrieg bisher ungekannten Ausmaßes. Opfer dieser Maßnahmen sind materiell nicht etwa Putin und seine autokratische Regierung bzw. das Netzwerk ihm vertrauter Oligarch*innen. Es sind die russischen Menschen, für die das Leben mit jedem Tag teurer wird, sofern sie überhaupt noch an ihr Geld kommen. Und, ohne das Gleichsetzen zu wollen, auch hier werden bspw. die Gaspreise teurer werden, ausbaden dürfen auch das Arbeiter*innen, ja das mit Klassenstaat war ernst gemeint.
Der Krieg fördert auch mehr als sonst schon den tiefgreifenden Rassismus innerhalb der ach so aufgeklärten sogenannten „westlichen Welt“ zutage: Es ist grundsätzlich gut, dass flüchtenden Ukrainer*innen die Möglichkeit gewährt wird, auf möglichst schnellem Weg das Land zu verlassen. So hat alleine Polen zugesichert, bis zu einer Million Geflüchtete aufzunehmen. Vor dem Hintergrund, dass aber weiterhin Flüchtende aus anderen Ländern mit Waffengewalt an den europäischen Außengrenzen an der Einreise gehindert werden, zeigt sich hier die grausame Doppelmoral der Friedensnobelpreisträgerin EU. Hinzukommen die Berichte von Menschen aus bspw. Nigeria oder Indien, die bislang in der Ukraine studierten. Nun werden sie entweder bereits am Betreten von Bussen und Zügen Richtung Grenze gehindert oder wenn sie es bis zur Grenze geschafft haben, wird ihnen vom ukrainischen Grenzschutz die Ausreise verwehrt, weil gebürtige Ukrainer*innen bevorzugt behandelt werden. Auch das Angebot der Deutschen Bahn, dass Flüchtende kostenlose Fernreisen erhalten, gilt nur für Menschen mit ukrainischem Pass. Wer nicht wahlweise europäisch, christlich oder weiß ist, wird so selbst in Angesicht des Krieges Opfer rassistischer Ideologie.
Das Narrativ der „guten“, weil angeblich zivilisierten „westlichen Welt“ findet sich auch vielerorts innerhalb der Medien wieder. Hier wurde innerhalb der vergangenen Tage immer wieder das Entsetzen darüber zum Ausdruck gebracht wurde, dass wie solch kriegerische Barbarei im ach so aufgeklärten Europa überhaupt möglich sein kann. Der Tenor, dass man hier nicht in Afghanistan oder Syrien sei, spricht für sich. Das Mitwirken von NATO und EU an unzähligen Kriegen und Konflikten wird dabei wie immer geflissentlich ignoriert, solange man sich moralisch überlegen geben kann. Es wird sogar dreist gelogen, wenn behauptet wird, dass es sich um den ersten völkerrechtswidrigen Krieg auf europäischem Boden handele, die Zerschlagung Jugoslawiens durch die Nato scheint vergessen, genauso wie der Krieg des NATO-Mitglieds Türkei gegen Kurd*innen unerwähnt bleibt. Bedrohlich ist auch, wie schnell hierzulande nach dem altbekannten Prozedere verfahren wird: „Wer nicht für uns ist, ist Putin-Freund“. Nein das sind wir nicht, die Seite auf die wir uns stellen sind die Menschen die zwischen diesen Blöcken leider im wahrsten Sinne des Wortes zerrieben werden. Wir sind solidarisch mit den Menschen, mit den Arbeiter*innen nicht mit den Herrschenden, egal wo.
Wer diese Sanktionen und die beschleunigte Militarisierung der EU-Staaten völlig unkritisch einfach beklatscht, muss sich im Klaren darüber sein, dass damit nur weiteres Öl ins Feuer der Kriegstreiberei gegossen wird. Am Ende des Tages dient ein jeder Krieg immer nur den Herrschenden, egal unter welcher Flagge. Verlieren tun alle anderen.