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Redebeitrag auf der Frauenstreik-Demo 2022

Demo zum Frauenkampftag von den Genoss*innen von Frauenstreik Osnabrück mit ca. 300-350 Leuten.

Unser Redebeitrag:

Liebe Genoss*innen, liebe Passant*innen,
zum heutigen Frauenkampftag schließen sich vielerorts Frauen zusammen, um zu streiken. Schon im kapitalistischen Normalzustand finden sich mehr als genug Gründe für einen Frauenstreik. Die Corona-Pandemie führt uns diese seit etwa einem Jahr noch deutlicher vor Augen.

In schlecht bezahlten und durch prekäre Arbeitsverhältnisse gekennzeichneten Berufen sind Frauen überdurchschnittlich oft vertreten. Viele der typischen Frauenberufe wie Pflegerin, Erzieherin oder Verkäuferin sind gering geschätzt, was die geringe Entlohnung ideologisch rechtfertigt.

Gleichzeitig sind es nun diese Berufe, die als systemrelevant gelten, auf die es während der Pandemie laut Politiker*innen aller Parteien und Vertreter*innen diverser Arbeitgeberverbände also wirklich ankommt. Für mehr als Applaus, Schokolade und Lobhudeleien reicht es aber nicht. Anerkennung für diese Tätigkeiten, die unter nun verschärften Bedingungen hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden, äußert sich nicht in ernsthaften Bestrebungen, die Arbeitsverhältnisse zu verbessern oder gar die Löhne deutlich zu heben.

Ein deutliches Beispiel für die miserablen Zustände in diesen sogenannten systemrelevanten Berufen findet sich im Pflegebereich. Seit 1990 wurden rund ein Drittel der Stellen des Pflegepersonals im Krankenhaus eingespart. Es gibt aber immer mehr Behandlungsfälle. Professionell Pflegen ist heute Akkordarbeit. Sich umeinander zu kümmern hat in der heutigen Praxis keinen Wert. Es geht vielmehr darum, dass das Pflegepersonal zur Wertschöpfung beiträgt. Ärzt*innen behandeln Krankheiten, das Pflegepersonal sorgt dafür, dass Menschen mit ihren Einschränkungen leben und lohnarbeiten können. Der enorme Bedarf an Arbeiter*innen, die dafür sorgen, dass Menschen wieder lohnarbeiten können, hat in den letzten 30 Jahren zu vielerlei neuen Berufen geführt. Pflegeassistent*innen sind ein Paradebeispiel. Konservative sagen, auch für die Hauptschüler*innen müsse es Jobs geben. Wir sagen: Moderne Barbarei.

Der Kapitalismus braucht also Frauenarbeit zu Frauenlöhnen, um nicht völlig vor die Wand zu fahren. Was braucht er noch, damit der Laden am laufen bleibt? Neben der miesen Situation in der Lohnarbeit erledigen Frauen nach wie vor mit 79% den größten Teil der Hausarbeit. Ob Wäsche waschen, am Wickeltisch stehen, ältere Angehörige pflegen, putzen, den Frust des Mannes auffangen – Frauen sind in unserer Gesellschaft diejenigen, die das alles gedanklich auch noch organisieren müssen, Stichwort Sorgearbeit eben.

Gerade in der Corona-Krise zeigt sich also umso deutlicher, dass Staat und Kapital sich beruhigt auf Frauen und die Arbeit, die sie unter- und unbezahlt leisten, verlassen können. Bei Kita- und Schulschließungen kann wie selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass Frauen zugunsten der Kinderbetreuung ihren Urlaub verbrauchen oder ins Home Office gehen, während das bei Männern weit weniger üblich ist.

Dazu werden Frauen abgewertet, oft sexuell belästigt und Opfer frauenfeindlicher Gewalt, in der Regel im eigenen Zuhause oder engsten Umfeld. Frauen werden also in unserer Gesellschaft besonders ausgebeutet und benachteiligt, sie sind einer Doppelbelastung aus Lohn- und Sorgearbeit ausgesetzt und werden immer wieder Opfer von Gewalt.

Diese Unterdrückung und Ausbeutung kommt nicht von ungefähr. Im Kapitalismus, also der Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der letztlich alles dem Zweck der Gewinnmaximierung unterworfen ist, braucht es Arbeiter*innen, die ausgebeutet werden können, um diesen Gewinn überhaupt erst zu ermöglichen. Dafür ist Voraussetzung, dass die Arbeiter*innen halbwegs gesund, bis zu einem gewissen Maß gebildet und nicht zu frustriert sind. Schließlich sind müde bis kranke Arbeiter*innen nicht produktiv, frustierte Arbeiter*innen geben sich weniger intensiv ihrem Arbeitgeber hin und Arbeiter*innen, die als Kinder nicht erzogen wurden, lassen sich ungleich schlechter ausbeuten.

Diese Voraussetzungen zu schaffen, also die Haus- und Sorgearbeit, ist im Kapitalismus Aufgabe der Frauen. Dazu wird Mädchen von klein auf eingetrichtert, wie wichtig es ist, sanftmütig und sensibel zu sein, nicht zu dominant aufzutreten, sich um andere zu kümmern, die eigenen Bedürfnisse und Interessen zurückzustellen und sich Jungen und Männern in allen Belangen unterzuordnen.

Ein Großteil der Haus- und Sorgearbeit findet hinter verschlossenen Türen und Vorhängen statt. In der Regel wird Haus- und Sorgearbeit nicht entlohnt, oft ist an dieser Stelle nicht einmal von Arbeit die Rede – Frauen machen das Ganze ja schließlich aus Liebe zu ihrer Familie. Praktisch für das Kapital, so bleibt die so sehr benötigte Schufterei unsichtbar, isoliert die Frauen, kettet sie an das Haus und braucht vor allem nicht entlohnt zu werden.

Der Teil der Sorgearbeit, der als Lohnarbeit organisiert und insbesondere migrantischen Frauen aufgebürdet wird, wie Alten- oder Krankenpflege, Reinigung oder Kinderbetreuung, ist schlecht bezahlt und bringt neben kaum zu bewältigenden Anforderungen auch wenig Arbeitsplatzsicherheit mit sich.

Das ist alles kein Zufall, vielmehr ist es notwendig für den Kapitalismus, dass Haus- und Sorgearbeit umsonst erfolgt oder schlecht bezahlt wird und vor allem unsichtbar bleibt.

Kurz gesagt: Frauen wurde in dieser Gesellschaft die Arbeit aufgezwungen, die notwendig ist, um die Arbeitskraft der Arbeiter*innen immer wieder herzustellen, damit weiter Maximalprofite erzielt werden können.

Wir müssen über die üblichen Forderungen nach besserer Teilhabe und Chancengleichheit am Markt hinausgehen. Lohnarbeit und die damit verbundene Ausbeutung sind kein Empowerment. Immer mehr prekäre Jobs für Frauen bringen keine Freiheit, auch keine finanzielle. Und ein liberaler Feminismus, der Frauen auf Chefetagen feiert und sich nicht für Belange benachteiligter Frauen einsetzt, ist keiner und huldigt letztlich nur dem Patriarchat. Diesen Kreislauf wollen wir als Kommunistinnen durchbrechen, indem wir uns mit Frauen weltweit solidarisch zusammenschließen und darauf hinarbeiten, Produktion genauso wie Reproduktion bedürfnis- statt profitorientiert zu organisieren und zu vergesellschaftlichen.

Demonstrationen und Appelle reichen nicht aus, wir müssen einen Schritt weitergehen, und zwar dahin, wo es wehtut – in die Arbeitsverweigerung, in den Streik. Ein erfolgreicher Frauenstreik bedeutet für das Kapital einen Angriff auf zwei Ebenen – sowohl Produktion als auch Reproduktion werden verweigert.

Wir rufen alle Frauen auf, mit uns in den Streik zu treten – ob wir nicht zur Arbeit gehen, uns zu einer kämpferischen Mittagspause zusammenfinden, bei einem Bummelstreik extra langsam arbeiten, den Abwasch und die Wäsche liegen lassen oder Straßen blockieren – Möglichkeiten, sich am Frauenstreik zu beteiligen gibt es viele.

Frauen voran für ein besseres Leben für alle – zusammen streiken gegen Patriarchat und Kapitalismus!