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Sozialismus oder Barbarei

Unser Redebeitrag zu den Ereignissen an der türkisch-griechischen Grenze:

Seit einigen Tagen wird wieder überdeutlich, wie dünn der Lack der Zivilisation auf dem gesellschaftlichen Normalvollzug der Europäischen Union ist. Das ist an sich keine neue Erkenntnis. Schon seit Jahren greift die EU bei der Migrationsabwehr zu immer widerlicheren Mitteln. Deals mit gesuchten Völkermördern im Sudan, mit islamistischen Milizen in Libyen, mit dem Faschisten Erdogan, Kriminalisierung solidarischer Seenotrettung und so weiter und so fort.

Und auch innerhalb ihrer Grenzen ist diese Entwicklung nicht neu, lässt sie doch in den Lagern auf den griechischen Inseln trotz deren jahrelanger Existenz weiterhin Menschen in einfachen Zelten erfrieren und schon Kleinkinder in Apathie versinken, während auch in der EU die Solidarität mit Geflüchteten kriminalisiert wird.

Dennoch ist der Einsatz von Schusswaffen gegen flüchtende Menschen, der massive Einsatz von Gewalt und Tränengas auch gegen Kinder, die aktive Gefährdung von Booten auf dem Meer eine neue Stufe des Wahnsinns. Eines Wahnsinns, der sich allerdings in die real existierende Welt einfügt und ganz im Sinne des deutschen Innenministers Horst Seehofer ist, der Migration „bis zur letzten Patrone“ bekämpfen möchte. Dazu gehört für die selbsterklärte Hüterin der Menschenrechte, die EU, auch die Toleranz gegenüber der Herrschaft des rassistischen Mobs auf den Inseln, der Jagd auf flüchtende Menschen, Migrantinnen und Migranten, Journalistinnen und Journalisten, Helferinnen und Helfer macht, während die Polizei daneben steht. Ebenso zeigt sich deutlich der Wert von staatlich zugesicherten Grundrechten, wenn diese kurzerhand „ausgesetzt“ werden können, wie nun das Asylrecht in Griechenland.

Und deshalb sind wir wieder wütend. Wie nach der bürgerlichen Kollaboration mit den Faschisten in Thüringen, wie nach dem rechten Terroranschlag in Hanau. Wir sind wütend über den alltäglichen Wahnsinn, der Menschen zuerst nach ihrer Verwertbarkeit, nach den mit ihrer Existenz verbundenen Kosten und Nutzen beurteilt. Diesen Wahnsinn, der sich in staatlichen Gesetzen und Institutionen, in der Wirtschaft und in den Köpfen der Menschen festgebrannt hat.

Und wir wissen nur zu gut, dass diese Wut und die immer neuen notwendigen Demonstrationen in aller Regel Ausdruck unserer Ohnmacht sind. Wir können zur Zeit eben nicht dafür sorgen, dass Grenzen niedergerissen werden und Frontex abgeschafft wird und dass Abschiebungen nicht mehr stattfinden. Wir können gerade nicht dafür sorgen, dass alles für alle da ist und alle Menschen als Menschen miteinander leben können. Wir können nur unsere Wut auf die Straße bringen.

Aber gerade deshalb ist es keine Option nichts zu tun und nicht wütend zu sein. Nicht wütend zu sein würde heißen, die Grausamkeiten der kapitalistisch-nationalstaatlich eingerichteten Welt hinzunehmen und zu akzeptieren. Die bürgerliche Gesellschaft steht immer wieder vor der Kreuzung, entweder in die Barbarei zurückzufallen oder in einer befreiten Gesellschaft aufgehoben zu werden. Mit aller Kraft gilt es, die Barbarei zu bekämpfen und die befreite Gesellschaft zu erarbeiten. Um es mit Max Horkheimer zu sagen: „Je unmöglicher der Kommunismus ist, desto verzweifelter gilt es für ihn einzutreten.“

Um handlungsfähig und wirkmächtig zu werden müssen wir uns zusammentun und organisieren. In linken und antifaschistischen Gruppen, in der Selbstorganisation der Leute, denen diese Welt das Leben zur Hölle macht. Um irgendwann tatsächlich in der Lage zu sein, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ Egal ob diese Verhältnisse nun Deutschland, EU oder Kapitalismus heißen.

Für ein Ende des Sterbens!
Für ein Ende der Gewalt!
Sozialismus oder Barbarei!