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Feministischer Streik 2023 – Redebeitrag

Unser Redebeitrag auf der Demo des feministischen Streikbündnis Osnabrück am 08.03.2023:

Liebe Genossinnen, liebe Passantinnen,
zum heutigen Frauenkampftag beziehungsweise Feministischen Kampftag schließen sich vielerorts Frauen und FLINTAs zusammen, um zu streiken.

Schon im kapitalistischen Normalzustand finden sich mehr als genug Gründe für einen Streik. Die Corona-Pandemie führte uns diese noch deutlicher vor Augen.

In schlecht bezahlten und durch prekäre Arbeitsverhältnisse gekennzeichneten Berufen sind Frauen und FLINTAs überdurchschnittlich oft vertreten. Viele der sogenannten Frauenberufe wie Pflegerin, Erzieherin oder Verkäuferin sind gering geschätzt, was die geringe Entlohnung ideologisch rechtfertigt.
Gleichzeitig sind es nun diese Berufe, die als systemrelevant gelten, auf die es während der Pandemie laut Politikerinnen aller Parteien und Vertreterinnen diverser Arbeitgeberverbände also wirklich ankommt. Für mehr als Applaus, Schokolade und Lobhudeleien reicht es aber nicht. Anerkennung für diese Tätigkeiten, die unter nun verschärften Bedingungen hauptsächlich von Frauen und FLINTAs ausgeübt werden, äußert sich nicht in ernsthaften Bestrebungen, die Arbeitsverhältnisse zu verbessern oder gar die Löhne deutlich zu heben.

Ein deutliches Beispiel für die miserablen Zustände in diesen sogenannten systemrelevanten Berufen findet sich im Pflegebereich. Seit 1990 wurden rund ein Drittel der Stellen des Pflegepersonals im Krankenhaus eingespart. Es gibt aber immer mehr Behandlungsfälle. Professionell Pflegen ist heute Akkordarbeit. Sich umeinander zu kümmern hat in der heutigen Praxis keinen Wert. Es geht vielmehr darum, dass das Pflegepersonal zur Wertschöpfung beiträgt. Ärztinnen behandeln Krankheiten, das Pflegepersonal sorgt dafür, dass Menschen mit ihren Einschränkungen leben und lohnarbeiten können. Der enorme Bedarf an Arbeiterinnen, die dafür sorgen, dass Menschen wieder lohnarbeiten können, hat in den letzten 30 Jahren zu vielerlei neuen Berufen geführt. Pflegeassistentinnen sind ein Paradebeispiel. Konservative sagen, auch für die Hauptschülerinnen müsse es Jobs geben. Wir sagen: Moderne Barbarei.

Der Kapitalismus braucht also sogenannte Frauenarbeit zu Frauenlöhnen, um nicht völlig vor die Wand zu fahren. Was braucht er noch, damit der Laden am laufen bleibt? Neben der miesen Situation in der Lohnarbeit erledigen Frauen und FLINTA nach wie vor mit 79% den größten Teil der Hausarbeit. Ob Wäsche waschen, am Wickeltisch stehen, ältere Angehörige pflegen, putzen, den Frust des Mannes auffangen – Frauen und FLINTAs sind in unserer Gesellschaft diejenigen, die das alles gedanklich auch noch organisieren müssen, Stichwort Sorgearbeit eben.

Gerade in der Corona-Krise zeigte sich also umso deutlicher, dass Staat und Kapital sich beruhigt auf Frauen und FLINTAs und die Arbeit, die sie unter- und unbezahlt leisten, verlassen können. Bei Kita- und Schulschließungen konnte wie selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass Frauen zugunsten der Kinderbetreuung ihren Urlaub verbrauchen oder ins Home Office gehen, während das bei Männern weit weniger üblich war.

Dazu werden Frauen und FLINTAs abgewertet, oft sexuell belästigt und Opfer frauen- und queerfeindlicher Gewalt, in der Regel im eigenen Zuhause oder engsten Umfeld. Frauen und FLINTAs werden also in unserer Gesellschaft besonders ausgebeutet und benachteiligt, sie sind einer Doppelbelastung aus Lohn- und Sorgearbeit ausgesetzt und werden immer wieder Opfer von Gewalt.
Diese Unterdrückung und Ausbeutung kommt nicht von ungefähr. Im Kapitalismus, also der Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der letztlich alles dem Zweck der Gewinnmaximierung unterworfen ist, braucht es Arbeiterinnen, die ausgebeutet werden können, um diesen Gewinn überhaupt erst zu ermöglichen. Dafür ist Voraussetzung, dass die Arbeiterinnen halbwegs gesund, bis zu einem gewissen Maß gebildet und nicht zu frustriert sind. Schließlich sind müde bis kranke Arbeiterinnen nicht produktiv, frustierte Arbeiterinnen geben sich weniger intensiv ihrem Arbeitgeber hin und Arbeiterinnen, die als Kinder nicht erzogen wurden, lassen sich ungleich schlechter ausbeuten. Diese Voraussetzungen zu schaffen, also die Haus- und Sorgearbeit, ist im Kapitalismus Aufgabe der Frauen und FLINTAs. Dazu wird Mädchen von klein auf eingetrichtert, wie wichtig es ist, sanftmütig und sensibel zu sein, nicht zu dominant aufzutreten, sich um andere zu kümmern, die eigenen Bedürfnisse und Interessen zurückzustellen und sich Jungen und Männern in allen Belangen unterzuordnen.

Ein Großteil der Haus- und Sorgearbeit findet hinter verschlossenen Türen und Vorhängen statt. In der Regel wird Haus- und Sorgearbeit nicht entlohnt, oft ist an dieser Stelle nicht einmal von Arbeit die Rede – Frauen und FLINTAs machen das Ganze ja schließlich aus Liebe zu ihrer Familie. Praktisch für das Kapital, so bleibt die so sehr benötigte Schufterei unsichtbar, isoliert die Frauen und FLINTAs, kettet sie an das Haus und braucht vor allem nicht entlohnt zu werden.

Der Teil der Sorgearbeit, der als Lohnarbeit organisiert und insbesondere migrantischen Frauen aufgebürdet wird, wie Alten- oder Krankenpflege, Reinigung oder Kinderbetreuung, ist schlecht bezahlt und bringt neben kaum zu bewältigenden Anforderungen auch wenig Arbeitsplatzsicherheit mit sich.

Das ist alles kein Zufall, vielmehr ist es notwendig für den Kapitalismus, dass Haus- und Sorgearbeit umsonst erfolgt oder schlecht bezahlt wird und vor allem unsichtbar bleibt. Kurz gesagt: Frauen und FLINTAs wurde in dieser Gesellschaft die Arbeit aufgezwungen, die notwendig ist, um die Arbeitskraft der Arbeiterinnen immer wieder herzustellen, damit weiter Maximalprofite erzielt werden können.

Wir müssen über die üblichen Forderungen nach besserer Teilhabe und Chancengleichheit am Markt hinausgehen. Lohnarbeit und die damit verbundene Ausbeutung sind kein Empowerment. Immer mehr prekäre Jobs für Frauen und FLINTAs bringen keine Freiheit, auch keine finanzielle. Und ein liberaler Feminismus, der Frauen und FLINTAs auf Chefetagen feiert und sich nicht für Belange benachteiligter Frauen und FLINTAs einsetzt, ist keiner und huldigt letztlich nur dem Patriarchat. Diesen Kreislauf wollen wir als Kommunistinnen durchbrechen, indem wir uns mit Frauen und FLINTAs weltweit solidarisch zusammenschließen und darauf hinarbeiten, Produktion genauso wie Reproduktion bedürfnis- statt profitorientiert zu organisieren und zu vergesellschaftlichen.
Demonstrationen und Appelle reichen nicht aus, wir müssen einen Schritt weitergehen, und zwar dahin, wo es wehtut – in die Arbeitsverweigerung, in den Streik. Ein erfolgreicher Frauenstreik beziehungswiese Feminstischerstreik bedeutet für das Kapital einen Angriff auf zwei Ebenen – sowohl Produktion als auch Reproduktion werden verweigert.

Wir rufen alle Frauen und FLINTAs auf, mit uns in den Streik zu treten – ob wir nicht zur Arbeit gehen, uns zu einer kämpferischen Mittagspause zusammenfinden, bei einem Bummelstreik extra langsam arbeiten, den Abwasch und die Wäsche liegen lassen oder Straßen blockieren – Möglichkeiten, sich am Streik zu beteiligen gibt es viele.

Frauen und FLINTAs voran für ein besseres Leben für alle – zusammen streiken gegen Patriarchat und Kapitalismus!