Warum diese Überschrift?
In letzter Zeit wurden beziehungsweise werden in der BRD mindestens drei Streiks geführt, die aus verschiedenen Gründen die besondere Aufmerksamkeit von Kommunist*innen und radikalen Linken verdient hätten, diese aber augenscheinlich nicht genießen.
Erstens (in chronologischer Reihenfolge) ist dies der Streik des Gorillas Workers Collective in Berlin. Dieser sticht heraus durch seine spontane und selbstorganisierte Durchführung als Reaktion auf den Rausschmiss eines Kollegen. Alleine die Spontaneität wäre bemerkenswert, vielmehr noch ist es die Selbstorganisierung des Streiks ohne Gewerkschaftsapparat im Rücken. Und genau hier böte sich eine linksradikale Intervention an, um die Interessen der Streikenden zu verbreiten und zu verstärken oder in praktischer Solidarität ihre Kampfkraft zu stärken. Es spricht nicht für eine Linke, wenn sich „Junge Liberale“ (aus den falschen Gründen) scheinbar mehr für den Streik interessieren als sie selber.
Zweitens der Streik der GDL gegen die Deutsche Bahn. Hier ist zum einen das Ausmaß an Hetze, das gegen den Streik verbreitet wird, besonders auffällig (wie auch schon beim letzten großen Streik der GDL 2014 und 2015). Der Streik sei ein Angriff auf „unser“ Land, er sei unsolidarisch, unverschämt und eigentlich hätte das sogenannte Tarifeinheitsgesetz solche Frechheiten der Ausgebeuteten sowieso unterbinden sollen. Zum anderen wird hier exemplarisch sichtbar, wie in einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaft verhältnismäßig wenige, aber gut organisierte Arbeiter*innen an Schlüsselpositionen die Räder tatsächlich stillstehen lassen können. Eine linke Begleitung des Streiks könnte und müsste hier entgegen der Hetze darauf abzielen, dass Streiks gerade nur wirksam sind, wenn sie wehtun. Ein bequemer und unauffälliger Streik ist ein faktisch ein verlorener Streik. Außerdem gälte es, die Forderungen der Lokführer*innen in Verbindung zu setzen zum allgemeinen proletarischen Interesse an mehr Lohn, weniger Arbeit und besseren Arbeitsbedingungen.
Drittens der laufende Streik der Berliner Krankenhausbewegung. Bei diesem sind mehrere Ebenen bemerkenswert. Zunächst, dass es sich um einen schwierig zu bestreikenden Sektor handelt. Dass ein Streik (den richtigen Leuten) wehtun muss heißt nicht, ihn rücksichtslos gegenüber den Menschen zu führen, die auf Pflege angewiesen sind. Ein Streik von Pfleger*innen ist daher ungleich schwieriger zu organisieren als etwa von Arbeiter*innen in der Automobilindustrie, betrifft er doch unmittelbar das Wohlergehen von Menschen und nicht ausschließlich die Mehrwertproduktion.
Darüber hinaus handelt es sich bei der Pflege um ein Berufsfeld, in dem ganz überwiegend Frauen arbeiten. Soll „Feminism is Class War“ nicht bloß ein Slogan bleiben, müsste die praktische Verbindung von Kapitalismus und Patriarchat, von Klassenauseinandersetzungen und vergeschlechtlichter Ausbeutung, die in diesem Streik stattfindet bloß aufgenommen und zugespitzt werden. Außerdem ist der repressive Umgang hervorzuheben, mit dem dem Streik begegnet wurde und wird. So suchte die Konzernführung von Vivantes, den Streik erst der Beschäftigten in den Küchen und Wäschereien verbieten zu lassen, um schließlich den der Pfleger*innen anzugreifen. Dabei ist der berufsgruppenübergreifende Ansatz des Streiks beachtenswert, der etwa in Ansagen der streikenden Pfleger*innen deutlich wird, auch für die anderen Beschäftigten weiter zu streiken, während diesen der Streik verboten war. Schließlich wird auch dieser Streik für deutsche Verhältnisse kämpferisch geführt, etwa in der praktischen Nichtakzeptanz des Streikverbots und im Willen, verantwortlichen Personen und Parteien direkt aufs Dach zu steigen.
Warum sollten sich also Kommunist*innen um diese (und gerne auch andere) Streiks kümmern?
Zunächst geht es um konkrete Verbesserungen der Arbeits- und Lebensverhältnisse lohnabhängiger Menschen. Das alleine sollte für Linke und Linksradikale ein Grund sein, sich für die stattfindenden Kämpfe zumindest zu interessieren, wenn die richtigen radikalen Forderungen nach dem Ende des Kapitalismus nicht lediglich Selbstzweck sein sollen.
Aber auch für dieses angestrebte Ende des Kapitalismus spielen Streiks eine wichtige Rolle. In ihnen wird der grundsätzliche Klassenwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaft zwischen Arbeit und Kapital wahrscheinlich am sichtbarsten. In ihnen wird deutlich, dass die Interessen von Ausbeuter*innen und Ausgebeuteten widersprüchlich sind, egal wie sehr das Klassenverhältnis sonst von der Ideologie der sogenannten Sozialpartnerschaft verschleiert werden soll. Dies in Verbindung mit der gemeinsamen Kampf- und Solidaritätserfahrung kann die Grundlage schaffen für etwas, was kluge Leute einmal Klassenbewusstsein nannten. Das soll nicht heißen, dass dies ein Automatismus oder der einzige Weg wäre. Streiks können hier aber zumindest als starker Katalysator wirken, besonders wenn sie tatsächlich kämpferisch geführt und begleitet werden.
Das bedeutet alles nicht, dass sich Kommunist*innen oder andere radikale Linke Illusionen über die derzeitige eigene gesellschaftliche Marginalisierung machen oder versuchen sollten, sich auf eine Massenbasis unter Arbeiter*innen zu stützen, die schlicht nicht existiert.
Aber: Wer wirklich einen Weg in den Kommunismus bauen oder finden will, muss dies zunächst für einen Weg aus dieser eigenen gesellschaftlichen Marginalisierung tun. Und dieser führt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bloß über Eventpolitik, sondern über Einmischung in die Kämpfe, in die Streiks, die die Lebensrealität von Proletarier*innen betreffen und das Bewusstsein von Arbeiter*innen formen.