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Solidarität und Klassenkampf statt Verschwörungsideologie

Gestern fand in Osnabrück, wie in vielen weiteren Städten, eine sogenannte „Hygiene-Demo“ statt. Hier vor Ort wurde zu einer „Meditation für das Grundgesetz“ vor dem Theater aufgerufen, woran sich ca. 80 Leute beteiligten. Unter ihnen AfD-Fans, Esoteriker*innen, Verschwörungsideolog*innen aber eben auch selbstständige Kleinbürger*innen. Anschließend zogen die selbsternannten „Rebellen“ zum Schlossgarten und wieder zurück in die Innenstadt. Die Polizei ließ sie im Großen und Ganzen gewähren. Es gab zwar die Aufforderung die Versammlung zu beenden und nicht weiter zu gehen, was ignoriert und damit gekontert wurde, dass es nur ein Spaziergang sei. Was bei Linken Demonstrationen dazu führt, dass der Schlagstock ausgepackt wird, führte hier zu einem Achselzucken.

Alle dort Versammelten einen zwei Punkte:

  1. Die verschwörungsideologische Position, dass irgendwer hinter dem Corona-Virus steckt (oft in Kombination einer Leugnung des Virus oder einer starken Relativierung seiner Gefährlichkeit).
  2. Dass die staatlichen Maßnahmen mindestens übertrieben seien, sofort zurückgenommen werden müssten und die Wirtschaft wieder hochgefahren werden müsste.

Die durch die Pandemie sich verschlimmernde soziale Situation von Arbeiter*innen z.B. von Pflegekräften, von Paketbot*innen, Supermarktkassierer*innen und Hartz 4 -Empfänger*innen spielt bei diesen Protesten keine Rolle, vielmehr würde ihre Lage durch die dort gestellten Forderungen noch verschlimmert werden.

Der vermeintliche Einsatz für Grundrechte ist dabei vor allem ein Einsatz für das Kapital und für die Freiheit des Marktes.
Denn im Gegensatz zu ihrer herbeihalluzinierten Rebellion sind sie sich in dem zweiten Punkt mit Teilen der Herrschenden aus Politik und Wirtschaft eigentlich sehr einig. Kaum einem dieser „Corona-Rebellen“ sind etwa die vor einem Jahr erlassenen Polizeigesetze ein Begriff und kaum wer interessiert sich dort z.B. für die Rechte von Geflüchteten (viele dort fordern vielmehr einen noch menschenfeindlicheren Umgang).

Wir plädieren aber weiterhin, sich nicht nur auf die verrücktesten Ideologien dort zu konzentrieren.

Die (angehenden) Kleinbürger*innen unter ihnen haben für diesen Protest eben auch ein handfestes materielles Interesse. Sie wollen wieder Geld mit ihren Unternehmen machen. Sie sind darauf angewiesen ihre Läden und Handwerksbetriebe öffnen zu dürfen. Die gestrige Anmelderin besitzt etwa ein Yoga-Studio.

Viele weitere Teilnehmener*innen sind darauf angewiesen, als kleine Angestellte und Arbeiter*innen in der lokalen Firma zu arbeiten- sie haben schlicht nicht die Möglichkeit im Home-Office Zoom-Meetings abzuhalten.

Dieses lebensnotwendige Interesse übersetzt sich dabei in Ideologie, was natürlich nicht zwangsläufig diese Ausformungen annehmen muss, aber es ist auch nicht von dem o.g. Interesse zu trennen. Es ist auch das Ergebnis eines nicht handlungsfähigen, „sozial-partnerschaftlich“ agierenden Gewerkschaftsbundes, dass sich Arbeiter*innen durch diese nicht repräsentiert fühlen.

Hört man den Teilnehmer*innen zu, so zieht sich außerdem die gesellschaftlich eben weit verbreitete Ideologie des Nationalismus durch ihre Äußerungen. Die anerkannten und die Klassengesellschaft zusammenhaltenden „Fakenews“, dass es ein nationales „Wir“ gäbe und „Wir“ alle im selben Boot sitzen würden, eskalieren immer wieder ideologisch, wie praktisch.

Da sich der Quatsch einer nationalen Gemeinschaft immer wieder blamiert, aber dieses Narrativ nie aufgebrochen wird, muss sich ja irgendwer an der Gemeinschaft vergriffen haben und es kommt zu verschwörungsideologischen „Auswüchsen“.

Dabei sind diese „Auswüchse“ natürlich menschenfeindlich und lebensgefährlich, wie die letzten Anschläge in Halle und Hanau auf tragische Art und Weise wieder gezeigt haben.

Aber gerade wegen dieser ideologischen Grundlage ist es wichtig, den sog. „Hygiene-Demos“ einen klassenkämpferischen Protest entgegen zu stellen, was wir gestern vor Ort mit zwei Transparenten versucht haben.

Teile der Linken scheinen allerdings die Gefahr von diesen Verschwörungsideolog*innen nicht richtig ernst zu nehmen, denn der Gegenprotest belief sich „nur“ auf ca. 50 Leute. Es ist zwar richtig diesen Leuten nicht nur hinterherzurennen, denn dadurch würde keine eigenständige linke Kritik mehr Verbreitung finden, aber es ist falsch sie einfach zu ignorieren. Wir werden in Zukunft beides tun müssen – das wird nicht einfach, ist aber schlicht notwendig.