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Demo „Keine Zusammenarbeit mit Faschist*innen“ – Redebeitrag

Unser Redebeitrag auf der Demo „Keine Zusammenarbeit mit Faschist*innen – Feuer löschen statt Brandmauern“ am 02.09.2024:

Liebe Genossinnen und Genossen,

Während diese Rede geschrieben wurde, konnten wir noch nicht wissen, was auf uns zukommt. Wir konnten es nur erahnen. Dass diese Ahnung schon gereicht hat, diese Demo auf die Beine zu stellen, spricht für sich – und gegen den aktuellen Zustand, in dem wir uns befinden.

Feuer löschen statt brandmauern. So lautet der Untertitel der heutigen Demo. Die „Brandmauer“, so sehr wir auch darauf pochen eine Zusammenarbeit mit Faschos zu verhindern, hat als Narrativ ausgedient. Vielleicht wäre die Situation eine andere, wenn die Parteien, die groß von ihr gefaselt haben, sich an ihre eigenen Worte gehalten hätten, statt die Worte und Politik der AfD zu übernehmen, oder auf lokaler Ebene mit ihr zusammenzuarbeiten. Wenn diese Parteien die Energie, die sie in ein Außenbild der „Brandmauer“ gesteckt haben, in eine inhaltliche wie politisch-praktische Abgrenzung von der AfD gesteckt hätten.

Feuer löschen meint Ursachen der Misere in den Blick zu nehmen. Es ist zu gemütlich, jetzt mit dem Finger auf die ostdeutschen Bundesländer zu zeigen. Zu groß ist die Gefahr, dass dabei Faschismus als gesamtdeutsche, und damit auch westdeutsche Tatsache, kleingeredet wird. Und dafür ist der Faschismus zu deutsch, Höcke und co. westliche Exportschlager.

Gleichzeitig wurde mit den geteilten Kontinuitäten Nazi-Deutschlands in den zwei Staaten verschieden umgegangen. Dass man Nachfolgestaat eines faschistischen Staates war und immer mal wieder ein massives Problem mit erwachsenen wie jugendlichen Faschos hatte, passte z.B. nicht so recht ins realsozialistische Selbstverständnis der DDR, die diesen Umstand im besten Fall ignorierte, im schlimmsten Fall für sich auf einen ganz spezifischen DDR-Patriotismus ummünzte, der dem Nationalismus von vorher kaum was entgegenzusetzen wusste. Zum anderen ist die BRD an der Verschlimmerung der Lage nach der Wende massiv beteiligt gewesen, bzw. hat von ihr profitiert. So wurde Patriotismus in beiden Landesteilen explizit gefördert um unter dem Deckmantel der „Wiedervereinigung“ eines „Volkes“ wirtschaftliche Interessen durchzusetzen, östliche Immobilien und Land für Lau aufzukaufen. (1) Treuhand und Co. sowie das kapitalistische Business as usual waren Brandbeschleuniger. Die um sich greifende Enttäuschung und Skepsis gegenüber westlichen wirtschaftlichen und politischen Institutionen, nicht zuletzt Parteien, vorprogrammiert. Zurecht wurde und wird ein „zu wenig“ an westlicher Auseinandersetzung mit den Hoffnungen, Wünschen und Lebensrealitäten der Leute bemägelt, die ’89 auf die Straße gegangen sind. Plottwist – eine Übernahme der BRD war bei Vielen nicht Teil dieses Wunschpakets, vielmehr demokratische Teilhabe innerhalb des Realsozialismus, Reisefreiheit, Nahrungssicherheit. Ob die Spezifika der Landesteile vor der Wende, die Verantwortung der BRD während und nach der Wende für den aktuellen Rechtsruck im Osten, oder gar alles was sich daraus an Eigendynamik entsponnen hat, z.B. dass es seit Jahrzehnten einen massiven Zuzug von westlichen Faschos in den Osten gibt – All diese Nuancen drohen in einem Fingerzeigen auf den Osten auf der einen Seite oder einem Einheits-Narrativ auf der anderen Seite unterzugehen.

Feuer löschen heißt also Analyse, Verantwortungsübernahme, Hinschauen und eine linke Gegenpolitik fördern, die geschichtliche Kontinuitäten und darauf aufbauende handfeste Strukturprobleme in Angriff nimmt.

Für unsere Genoss:innen und Genossen im Osten ist die aktuelle Lage unerträglich. Wenn bereits etliche bürgerliche Projekte, die sich Demokratie auf die Fahne schreiben, im Osten bedroht sind, kann man sich nur ausmalen, wie die Lage schon seit Jahren für Antifas sowie für jegliche marginalisierte Gruppen ist. Dauerhafter Abwehrkampf, dauerhafte Bedrohungslage, finanzielle Mittel gleich Null. Und dennoch stellen sich so, so viele den Rechten entgegen, machen Projekte, tun sich zusammen, unterstützen sich gegenseitig. Hier sei z.B. auf die Struktur Polylux verwiesen, die sich immer über Spenden freuen um diese je nach Bedarfslage zwischen linken Projekten im Osten umzuverteilen. (2) Unterstützt Genoss:innen, lasst westliche Arroganz zu Hause und redet, redet, redet bis auch die Letzten begreifen, dass das auch etwas mit uns im Westen zu tun hat, und zwar nicht erst jetzt oder in der Zukunft sondern bereits auf Basis einer geteilten faschistischen Vergangenheit und einer westlichen Mitverantwortung für die aktuelle Misere.

Schließen möchten wir mit einem Zitat aus dem klugen Text, von dem wir uns für den Demotitel haben inspirieren lassen: (3)
„In Anbetracht der aktuellen Situation brauchen wir strategisch also keine Mauern, sondern – für den Übergang – Feuerlöscher. Und diese können auch nicht in einem gut performten Linkspopulismus mit betont nationalistischen und verschwörungstheoretischen Overtones à la BSW gefunden werden“ (die, Stand heute, eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschließt) […] Man muss den Rechten ihre Themen wegnehmen, ja – aber durch antikapitalistische, antirassistische, antiheteronormative Bildung, on-the-ground zivilgesellschaftliche Sozialpolitik und Parteien, die sich für ihre Basis interessieren. Nicht, indem man ihnen nach dem Mund redet.“

Deshalb: Solidarität mit den Genoss:innen im Osten und für einen konsequenten Antifaschismus! Danke!

(1) Steffen Mau: Lütten Klein (2019), S. 146ff.
(2) https://www.polylux.network/fordermitgliedschaft/
(3) https://www.ostjournal.de/05-feuer-loeschen-statt-braende-mauern/