Text zum medialen Angriff der Polizeigewerkschaften auf den Antifa-Kongress in München.
Erschienen am 03.11.2017
Die Führungen des „Deutschen Gewerkschaftsbundes“ (DGB) und seiner Spartengewerkschaften sind seit Jahrzehnten für ihre defensive, gerne auch vernebelnd als „sozialpartnerschaftlich“ bezeichnete Haltung gegenüber den Angriffen des deutschen Kapitals auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen bekannt. Weder der „Agenda 2010“, der enormen Ausweitung des Niedriglohnsektors, noch der Altersarmut für Millionen produzierenden „Rentenreform“ setzten die leitenden Funktionäre des DGB entschlossenen Widerstand (politischer Streik, Generalstreik usw.) entgegen, wie er in anderen EU-Ländern selbstverständlich ist – ganz zu schweigen von ihrem schwächlichen Auftreten in den meisten Lohnrunden.
Auf einem Gebiet beharrten jedoch auch die Führungskader bisher auf ihrer Prinzipientreue – die im DGB zusammengefasste Gewerkschaftsbewegung habe aus ihrer „bittersten Niederlage, der kampflosen Kapitulation vor dem Nationalsozialismus im Jahre 1933 “[…] den einzig richtigen Schluss gezogen: „Freie Gewerkschaftsbewegung und politische Diktatur sind unvereinbare Gegensätze.“1 Umso schockierter waren Antifaschist*innen innerhalb wie außerhalb der Gewerkschaften, als sie davon erfuhren, dass der DGB in Bayern den für Anfang November angesetzten Antifa-Kongress Bayern (die Abkürzung steht für den Begriff Antifaschismus) abgesagt hatte. Was war passiert? Der Antifa-Kongress Bayern sollte, nicht zum ersten Mal (!), in Räumlichkeiten des Münchner DGB-Hauses stattfinden. Ein rechtes, verschwörungstheoretisches und AfD-nahes Medienblog namens „Journalistenwatch“ („Lügenpresse“ lässt grüßen!) griff dieses Ereignis auf und machte mit reißerischen Halbwahrheiten Schlagzeilen. Andere Berichterstattung gab es bis dahin nicht, jedoch genügte das rechte Geschreibsel bereits, um die DPolG (Deutsche Polizeigewerkschaft) und ihren Jugendverband darauf aufmerksam zu machen, die umgehend einen Tag später versuchten, sich einen ideologischen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrer Konkurrenzgewerkschaft, der im DGB organisierten GdP (Gewerkschaft der Polizei), zu verschaffen. „Wir kritisieren die Veranstaltung an sich und sind entsetzt, dass der DGB dafür seine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen möchte“2, sagte der Bundesjugendleiter der Deutschen Polizeigewerkschaft, Michael Haug, dem Bayerischen Rundfunk. Warum genau man „entsetzt“ sei und was exakt man Veranstalter*innen oder Teilnehmer*innen vorwirft, blieb jedoch unbeantwortet. Das Reizwort „Antifa“ genügte bereits als Anlass zur Diffamierung. Die GdP, derart unter Druck gesetzt ihr reaktionäres Klientel zu beschwichtigen, wirkte umgehend auf den DGB Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann ein, was dazu führte, dass vorerst die Räumlichkeiten des DGB in München dem Antifa Kongress entzogen wurden und die Jugendorganisation des DGB, welche die Räumlichkeiten vermittelt hatte, bis auf die Knochen blamiert wurde. Sie sah sich sogar gezwungen, den impliziten Gewaltvorwurf des eigenen Verbandes („gegen jede Form von Gewalt, egal aus welcher politischen Richtung“3) zurückzuweisen. „Intention unseres Beschlusses war, die Arbeit von Gruppen junger Menschen gegen Rechtsextremismus und -populismus wie in der Vergangenheit zu unterstützen. Die DGB-Jugend Bayern steht dabei immer für eine friedliche Auseinandersetzung und positioniert sich klar gegen Gewalt.“4
Es handelte sich hier wohl um eine überstürzte Aktion des DGB, zum Schutze der eigenen polizeilichen Spartengewerkschaft, in deren Tätigkeitsfeld und eigenen Reihen es offensichtlich eine bedeutende Menge ideologisch Rechts bis weit Rechts stehender Polizist*innen gibt, die Antifaschist*innen als politische Feinde betrachten. Auf Grund der Solidarität weiter Kreise (innergewerkschaftlich wie auch darüber hinaus), nahm der DGB Bayern inzwischen die Absage der Absage vor. Der Kongress wird ohne Abstriche stattfinden. Dies zeigt auch, dass in den oberen Etagen der „Einheitsgewerkschaft“ kaum verstanden wird, was antifaschistische Arbeit konkret bedeutet und wer sich daran kooperativ beteiligt – die tatsächlich engagierte antifaschistische Basis in den Gewerkschaften ist (noch) stärker als von der Führungsebene erwartet. Bei kritischen Beobachter*innen bleibt vor allem eine Einsicht: die gesellschaftliche Rechtsbewegung macht auch vor den Gewerkschaften nicht halt. Vielmehr wird sie in die Organisation hereingetragen und dort verbreitet, unter anderem durch die seit Jahrzehnten in ihren Reihen geduldete GdP. Und das, obwohl diese einen Berufsstand vertritt, der aufgrund seiner Funktion für den ideellen Gesamtkapitalisten Staat immer zwangsläufig auf Seite der Herrschenden und des Kapitals steht, der immer gegen illegalisierte Streiks, widerständiges Verhalten Arbeitsloser, demonstrierende Linke usw. als eiserne Faust des Gewaltmonopols zuschlagen wird. Angesichts dieser Entwicklungen ist es für alle emanzipatorisch denkenden Menschen in der Gewerkschaftsbewegung wichtiger denn je, ihre Arbeit zu bündeln und die Zusammenarbeit mit allen antifaschistischen gesellschaftlichen Kräften zu verstärken. Damit wir uns nicht bald die Frage stellen müssen, wann sich der DGB weigert, neben Menschen mit einer Antifa-Fahne zu demonstrieren.
(Das Foto zeigt belgische Ford-Arbeiter, die gegen eine Werksschließung vor der Europa-Zentrale in Köln protestieren. Der Protest wurde durch die Polizei aufgelöst.)
1„Grundsatzprogramm des DGB“. 1996. S.3.
2 https://www.facebook.com/DPolG.NRW.DU/posts/1490660951020530
3 http://bayern.dgb.de/presse/++co++b73b9e1e-b5a7-11e7-9b35-525400e5a74a
4 http://bayern.dgb.de/presse/++co++da866b64-b57b-11e7-bd59-525400e5a74a