Am 05.12. sind in Osnabrück über 200 Leute dem Aufruf zum Schulstreik gegen die Wehrpflicht gefolgt. Besonders erfreulich: Der aller größte Teil waren Schüler:innen! Wir hielten dort folgenden Redebeitrag:
Wir sind hier zusammengekommen, um gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu streiken und besonders euch Schüler:innen,
die größtenteils selbst von der aktuell eingeführten Regelung betroffen seid, genau dabei zu untersützen.
Diese neuen Regelungen werden gravierende Auswirkungen auf euer Leben und unser aller Zukunft haben.
Vermutlich habt ihr alle Ziele für eure Zeit nach der Schule. Einige wollen vielleicht eine Ausbildung machen, studieren oder ein Auslandsjahr absolvieren. Wieder andere denken sich vielleicht : „Hauptsache raus aus dem Schulsystem“. Was aber vermutlich niemand von euch denkt ist:
„Geil, ab in den Schützengraben.“
Egal was nun jemals eure Zielsetzung war oder nicht – die Regierung hat für euch entschieden. Ihr dürft erstmal ’ne Runde zum Bund.
Ihr lernt, wie ihr Schusswaffen bedient, wie ihr Menschen damit töten sollt, wie ihr euch unterzuordnen habt und wie ihr euer „geliebtes Vaterland“ mit eurem eigenen Leben verteidigt.
Ein Leben das doch eigentlich noch komplett vor euch liegt und in eurer eigenen Gestaltungsmacht liegen sollte.
Aber wofür eigentlich? Welches angebliche „Vaterland“ sollt ihr hier verteidigen? Ein Land, das euch in eurer kurzen Lebenszeit so wenig gegeben hat? Auch ich war vor noch nicht allzu langer Zeit Schülerin.
Wir saßen in der Corona Zeit – außerhalb der Lockdowns – in kalten Schulen. Technische Probleme wie Internetausfälle und überlastete Server standen an der Tagesordnung. Einige Mitschüler:innen konnten nicht aktiv am Unterricht teilnehmen, weil ihren Familien schlichthinweg das Geld für die Ausstattung fehlte.
Aber vor der Pandemie ist nach der Pandemie:
Viele Schulgebäude sind schon seit Ewigkeiten verkommen. Unterricht in Containern – Die Finanzierungsmittel fehlen. Lehrer:innen sind überfordert und die Schüler:innen genießen nicht die Bildung, die sie eigentlich verdient hätten. Wir brauchen neue Bücher, neue Technik und um ehrlich zu sein – ein ganz anderes Schulsystem, aber dafür ist kein Geld da.
Ja gut, aber nach drei Jahren im Container, hält es sich bestimmt auch besser in der Kaserne aus, denn wir sehen:
Geld für Waffen und Panzer, die hat unser wohlgeliebtes Vaterland!
Aber später, nach der Schule, da wird es doch bestimmt besser.
Nö.
Freut euch auf 12 Stunden-Arbeitstage, teure Wohnungen, teures Essen, die Klimakatastrophe und eine Welt, die von Krieg durchzogen ist.
Und ihr seid mittendrin.
Es ist klar, wo die Prioritäten des Staates liegen. Nicht bei euch Schüler:innen, nicht bei Arbeiter:innen. Und das hat System. Schüler:innen sollen zwar in der Zukunft Arbeitskräfte sein, die für andere Profit erzeugen, aber als Schüler:innen werft ihr keinen Profit ab.
Und was keinen Profit abwirft, ist in diesem System immer besonders von Sanktionen und Sparmaßnahmen bedroht.
Für Bundeswehr und Aufrüstung sind Milliarden vorhanden und das heißt dann eben Sparmaßnahmen in der Schule oder z.B. im Gesundheitswesen.
Das heißt dann, den größten Angriff auf Arme seit über 20 Jahren, das heißt dann Totalsanktionen beim „Bürgergeld“.
Wurdet ihr als Generation jemals gefragt, ob ihr das wollt? Wurde euch jemals eine Möglichkeit der Beteiligung an dieser Entscheidung gegeben? Hat sich irgendjemand dafür interessiert, was ihr dazu zu sagen habt?
Natürlich nicht.
Der Regierung ist das egal. Sie entscheidet über euch. Schüler:innen wie ihr es seid, werden als Kanonenfutter in anderen Ländern vorgeschickt. Kinder und Jugendliche wie ihr, mit Träumen und Wünschen für ihre Zukunft. Doch auch ihnen wurde die Entscheidung genommen.
Dort oben regieren Menschen, die von all dem nicht betroffen sind, deren eigene Kinder niemals davon betroffen sein werden. Sie werden nicht selbst in den Schützengraben gehen. Sie werden sich niemals an die Waffen stellen müssen. Für sie seid ihr es, die das Land „verteidigen“ sollen, während sie sich selbst fein herausziehen.
Es ist ihnen egal, was mit den Menschen in diesem Land geschieht. Das einizge, worum es diesem Staat geht sind Kapitalinteressen.
Und ja, für den reibungslosen Ablauf dieser Wirtschaft gab es dann in der Vergangenheit auch mal ein paar Krümel vom Kuchen für uns, diese werden jetzt eben eingespart. Wir sollen einfach tun, was die Regierung von uns will. Aber das lassen wir uns nicht gefallen.
Egal, was die Meinung anderer ist, es geht hier und jetzt um eure Zukunft, sonst könnt ihr euch genau so wenig entscheiden, wie es die Ukrainischen oder russischen Schüler:innen durften – vergesst nicht, dass auf der anderen Seite des Schützengrabens genauso Leute liegen, die niemand gefragt hat.
Um hier von niemandem falsch verstanden zu werden:
Der russische Angriffskrieg ist nicht zu rechtfertigen. Wer sich auf diese Logik einlässt, gehört zu unseren Gegner:innen.
Er ist im Kontext einer sich zuspitzenden Krise des Kapitalismus zu verstehen. Nicht bloß der Westen und Russland, die ganze Welt steuert auf Krieg zu, in der die Staaten versuchen ihre Interessen nun vermehrt mit militärischen Mitteln durchzusetzen – um Menschenrechte geht es dabei nicht. Dieser Logik gilt es, sich zu verweigern.
So aussichtslos es erscheint, es gibt keine andere Option, als sich auf beiden Seiten der Frontlinie mit den Deserteur:innen, den Menschen die Sabotage üben, den Streikenden, letztlich den Menschen, welche für diesen Krieg, häufig genug mit ihrem Leben, bezahlen, zu verbinden und zu vernetzen und die Kriegslogik zu verraten. Dies darf zwar nicht einseitig geschehen, sonst ergreift man Partei für eine Seite, aber irgendwo müssen wir anfangen.
Gemeinsam können wir gegen diesen Druck, gegen das Kleinmachen durch die Regierung und ihre ausführenden Handlungsorgane einstehen.
Wir müssen zusammenhalten, wir dürfen unsere Mitmenschen, unsere Mitschüler:innen nicht alleine lassen. Es ist wichtig, dass wir alle und besonders ihr als direkt Betroffene euch gegen die Einführung dieser Wehrpflicht stellt, dass ihr gemeinsam laut seid, dass ihr euch nicht unterkriegen lasst. Steht für euch ein! Zeigt, was ihr wollt und noch viel wichtiger, was ihr nicht wollt.
Es geht um euch, euer Leben, eure Zukunft, die von der Regierung einfach umgeplant wird, ohne dass ihr die Entscheidungsmacht darüber habt.
Zeigen wir also genau hier, auf der Straße, auf Social Media, im Kino, in der Bahn und überall in der Öffentlichkeit, was wir davon halten. Seien wir gemeinsam laut, verschaffen wir uns Gehör!
Die Regierung wird sich nicht ewig taub stellen können, wenn wir lauter und lauter werden! Unsere Zukunft gehört uns und nicht irgendwelchen Leuten im Parlament!
