Die Erklärung von Racial Profiling in Deutschland ist meist eine liberale: Rassistische Einstellungen sind bei der Polizei verbreitet, reproduzieren sich dort und sind Produkt eines gesellschaftlichen rassistischen Diskurses. Die Antwort ist dann im besten Fall, Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs zu nehmen (was durchaus notwendig ist) oder im schlechtesten Fall Fortbildungen und Sensibilisierungseminare für Polizist:innen.
Auch wenn es durchaus richtig ist, dass ein rassistischer Diskurs natürlich Einfluss hat, sowohl auf die Institution Polizei, wie einzelne Polizist:innen und es auch vollkommen richtig ist, dass rassistische Einstellungen bei der Polizei weit verbreitet sind, ist die Erklärung, warum es Racial Profiling und rassistische Polizeigewalt gibt, verkehrt herum.
Dass es Racial Profiling und vermehrt rassistische Einstellungen bei der Polizei gibt, hat zum einen mit der Stellung der Rassifizierten im Produktionsprozess (bspw. illegalisierte Arbeit oder Niedriglohnsektor) zu tun und zum anderen mit der Aufgabe der Polizei in einem kapitalistischen Staat. Darum geht es in diesem Beitrag.
Es lohnt sich dabei einen Blick in die Entstehungsgeschichte der modernen Polizei zu werfen. Das, was wir Polizei nennen, entstand im Übergang von feudaler zu kapitalistischer Gesellschaft und damit der gewaltsamen Durchsetzung von Lohnarbeit, der Quelle kapitalistischen Profits.
Dass Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, geschieht auch heute noch unter Zwang. Heute in der Regel dem stummen Zwang der Verhältnisse: Niemand zwingt uns (in der Regel) mit vorgehaltener Waffe zur Arbeit, sondern die Tatsache, dass wir ohne Arbeit nichts zum Leben haben.
Zum einen musste dieser „stumme Zwang“ aber erstmal hergestellt werden, indem Menschen die Grundlage ihrer Existenz gewaltsam genommen wurde durch die Privatisierung von Land. Zum anderen ergab sich für die Herrschenden das Problem, dass ein relevanter Teil der Menschen, die für Lohn arbeiten sollten, dies trotzdem nicht taten.
Die Kriminalisierung, Disziplinierung und Überwachung von Armen wurde zu einer der zentralen Aufgaben der neuen Institution Polizei – je größer die Armut, desto größer der Grund das Eigentum anzutasten, was für die herrschende Klasse eine permanente Bedrohung ist. Dabei gehörte bereits relativ früh zu den polizeilichen Aufgaben, arme Menschen aus anderen Herrschaftsgebieten zu erfassen bzw. sie möglichst draußen zu halten.
Natürlich hat der Staat heute ein deutlich gefächerteren Apparat zur Verwaltung der Armut zur Verfügung, von Jobcenter, Sanktionsmaßnahmen, Ausländerbehörde, sozialstaatlichen Maßnahmen, Erfassung bis hin zu Repression.
Was hat das mit Racial Profiling zu tun?
Heute arbeiten im sog. Niedriglohnsektor überproportional viele Migrant:innen, gleiches gilt für illegale Beschäftigungen. Die Menschen werden in der Regel schlechter bezahlt als ihre „deutschen“ Kolleg:innen. Auch wenn es etwas verkürzt ist: Rassismus legitimiert hier diese Form der „Überausbeutung“, also der Ausbeutung von Lohnabhängigen über den Durchschnitt hinaus.
Migrant:innen sind also auch überdurchschnittlich oft arm und haben ein erhöhtes Risiko in totale Armut abzurutschen. Armut und Kriminalität stehen dabei in einem Zusammenhang, werden aber essentialisiert und kulturalisiert. Nicht Armut bzw. die gesellschaftlichen Verhältnisse werden als Grund für Kriminalität verstanden, sondern (vermeintliche) Herkunft und Kultur. Hinzu kommt die Aufgabe von Polizei Illegalisierte ausfindig zu machen.
Der politische Hintergrund dieser Sortierungs- und Ausgrenzungslogik ist ein zweifacher – einerseits will der Staat die absolute Kontrolle darüber ausüben, wer sich auf seinem Territorium aufhält. Menschen die im Verdacht stehen, sie könnten anderen Nationalstaaten gegenüber loyal sein, sind da immer verdächtig.
Andererseits führt der Staat, der von einem Gelingen der Kapitalvermehrung am nationalen „Standort Deutschland“ abhängig ist, also wie erfolgreich Unternehmen sind, eine Kalkulation durch, die nur als „Nutzenrassismus“ bezeichnet werden kann. Menschen, die fürs Kapital leicht verwertbar sind und in den Augen der Dominanzgesellschaft als „leicht integrierbar“ gelten, etwa gut ausgebildete, aber billige Facharbeiter:innen, sollen ins Land kommen dürfen, alle anderen hingegen, egal wie groß ihre Not ist, sollen prinzipiell draußen bleiben.
Es ist mit dem Beschriebenen dann nur logisch, dass Polizist:innen „Racial Profiling“ betreiben und sich natürlich die Aufgabe der Polizei bei den einzelnen Polizist:innen in rassistische Ideologie übersetzt und auch regelmäßig bestätigt wird.
Wer sich zusätzlich nun anschaut, welche Orte als gefährliche bzw. kriminalitätsbelastete Orte gekennzeichnet werden, dem fällt auf, dass dies in der Regel keine Randbezirke sind, sondern Stadtteile/Orte in denen Gentrifizierung stattfindet. Die Johannisstraße und auch der Schlossgarten sind solche Orte. Arme Menschen sollen verdrängt werden. Hier fällt die grundsätzliche Aufgabe der Polizei mit Kapitalinteressen zusammen und verdichtet sich entsprechend.
Das alles bedeutet keineswegs, dass Diskurse irrelevant sind. Im Gegenteil ist es wichtig, auf sie Einfluss zu nehmen. Es darf dabei aber nicht vergessen werden, dass diese Diskurse nicht im luftleeren Raum stattfinden, sondern Ausdruck realer Verhältnisse sind.
Das heißt für eine tatsächliche Abschaffung von Racial Profiling müssen die Verhältnisse ins Visier genommen werden.