Den 8. Mai verteidigen – Gegen Geschichtsrevisionismus und Reaktion

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Genau vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa und mit ihm der NS-Staat, welcher seit 1933 täglich Terror und Verfolgung übte und seit 1939 mit dem Angriff auf Polen zunächst Europa und dann auch Teile Asiens und Afrikas in ein Schlachtfeld verwandelt und Millionen Menschen gejagt, gefoltert und gemordet hatte.

An diesem Tag die Kapitulation der Wehrmacht zu feiern und zu erinnern, scheint vor diesem Hintergrund nur folgerichtig. Bereits vergangenes Jahr schrieben wir anlässlich des Jahrestages, dass zunehmender Geschichtsrevisionismus durch AfD-Politiker:innen wie Maximilian Krah um sich greift. Die Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden und bis heute nicht müde werden über den historischen Nazismus und das Leid zu sprechen, werden natürlicherweise weniger. Esther Bejarano aber auch viele weitere wurden darüber hinaus aber auch nicht müde davor zu warnen, dass die NS-Ideologie und die Sympathie für diese ebenso wenig gebannt war und ist, wie die Taten, die sich hieraus ergeben.

Dass sie recht behielten, wird bspw. bei der Terrorisierung der CSDs durch die rechte Szene in vielen Städten deutlich. Hier setzen sich hauptsächlich junge Nazis grölend für den Schutz eines „reinen, deutschen Landes“ ein und wollen voller Hass queeres Leben vernichten und all denjenigen das Existenzrecht absprechen, die nicht in ihr Weltbild passen. Dass die rechte Gewalt und Raumnahme in Deutschland zunimmt, geht aus unzähligen Studien und Recherchen hervor (siehe u.a.: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Zahl-der-rechts-motivierten-Straftaten-steigt-um-fast-58-Prozent-Innenministerium,kriminalitaet562.html). In Osnabrück konnten die AfD oder auch andere rechte Akteure nicht in dem Maße Fuß fassen, wie in vielen Städten oder auch ländlichen Regionen. Das ist gut so und nicht zuletzt ein Verdienst der zahlreichen Antifaschist:innen, die sich organisieren und grade machen. Doch auch hier konnten in den letzten Monaten vermehrt rechte Sticker und Schmierereien im Stadtbild festgestellt werden, als links gelesene Menschen wurden angepöbelt. All dem müssen wir überall Einhalt gebieten.

Doch muss klar darauf hingewiesen werden, dass diese Entwicklungen nicht im luftleeren Raum stattfinden. Es war die kapitalistische Wirtschaftsweise, aus der der Faschismus hervorging. Weder in Italien noch in Deutschland wanden sich die faschistischen Systeme vom Kapitalismus ab, die Eigentumsordnung wurde beibehalten, die Strukturen der Arbeiter:innenklasse zerschlagen. Ein unmittelbar bevorstehendes Ende des Kapitalismus scheint nicht in Sicht. Darauf hinzuwirken kann und muss aber immer antifaschistische Praxis sein, will man faschistischen Bestrebungen, die auf Ungleichheit, Ungleichwertigkeit der Menschen und Ausbeutung fußen, den Nährboden ein für alle Mal entziehen.

Ein unmittelbareres Feld, auf dem wir den Kampf gegen den Faschismus austragen können und müssen, ist das der Narrative und Geschichtsbilder, die gezeichnet werden.

In ihrer aktuellen Artikelreihe zum 80jährigen Ende des Krieges fokussiert sich die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) auf „die“ Deutschen oder „Osnabrücker“ und damit, was der Krieg und dessen Ende mit ihnen machte. So wird in einem Artikel über die „Panzerschokolade“ – Methamphetamin – geschrieben, die die deutschen Wehrmachtssoldaten einnahmen. Nach dem Krieg habe sich darum aber niemand mehr wirklich gekümmert. Die Auseinandersetzung damit sei kein Thema gewesen, und das obwohl die Wehrmachtssoldaten durch den Konsum Herzprobleme hätten davontragen können. (NOZ-Artikel vom 27.03.2025, Panzerschokolade und Stuka-Tabletten: Fronteinsatz im Drogenrausch, von Maik Nolte). Erschütternd

Wenn in einem anderen Artikel der NOZ Joachim Dierks seinen Artikel „Höllisches Finale des Krieges: Vor 80 Jahren wurde Osnabrück in Trümmer gebombt“ (vom 25.03.2025) mit dem Absatz einleitet: „Das war mal eine schmucke Altstadt: Vor 80 Jahren hat Osnabrück den letzten Großangriff britischer Bomber erlebt, zurück blieb eine Trümmer Landschaft. Warum musste noch einmal so viel Leid über die Osnabrücker gebracht werden, nur wenige Tage vor dem Ende des sowieso längst verlorenen Krieges?“, dann kann man nicht umhinkommen, dass das Geschriebene „die Osnabrücker“ ganz bewusst als schutzlose Opfer der Briten darstellt. Nicht in einem Satz wird in dem Artikel darauf verwiesen, dass die Deutschen den Krieg entfesselten und das Leid über Millionen von Menschen brachten. Ausgeklammert werden die Lager, die Zwangsarbeit und den für die Kriegsführung und Vernichtung von Menschen wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Dierks schließt den Artikel mit einem Verweis auf einen nicht näher dargelegten Strang in der Forschungsdebatte, welcher sich kritisch zu den angesprochenen Bombardierungen äußere und anmerke, man hätte deutsches Unrecht nicht mit alliiertem Unrecht vergelten dürfen. Es geht an dieser Stelle nicht darum zu leugnen, dass die Osnabrücker:innen unter den Bomben litten, Hab und Gut oder auch Verwandte verloren. Doch was Dierks hier tut, ist ausschließlich eine Verschiebung der Perspektive weg von dem von den Deutschen und auch zahlreichen Osnabrücker:innen begangenen oder geduldeten Leids hin zu der Reaktion der Alliierten, um jeden nationalsozialistischen Widerstand in Deutschland zu brechen und den Krieg zu beenden.

In einem weiteren Artikel von Joachim Dierks lässt dieser Karl-Heinz Städler zu Wort kommen, einem ehemaligen Luftwaffenoffizier der Wehrmacht, der der NOZ 2015 seine „Eindrücke vom Endkampf“ schilderte. Ohne nähere Einordnung seiner Person oder einer für die:den Lesenden nachvollziehbaren Überprüfung der Richtigkeit der Ausführungen darf dieser in dem reichweitenstärksten Blatt der Region über ein Gefecht am 03.04.1945 mit britischen Kräften bei Hagen erzählen: „Unser Richtkanonier wurde tödlich getroffen. Das war ein Schock für uns alle und kam uns grausam unnötig vor, denn allen war klar, dass wir nichts mehr ausrichten konnten.“ (NOZ-Artikel vom 30.03.2025, Kriegsende 1945 in Hagen: Soldat Karl-Heinz Städler über ein vollkommen unnötiges Gefecht, von Joachim Dierks). Wir sagen hier ganz klar: Wir haben kein Mitleid mit Karl-Heinz und seinen Kameraden, sie hätten sich ergeben können.

Was sich durch die Artikelreihe der NOZ zieht, ist zum einen, dass das Leid der deutschen Tätergesellschaft am Ende des von ihnen geführten und am Ende verloren gegangenen Krieges in den Mittelpunkt gerückt wird. Zum anderen werden die Opfer des NS und diejenigen, die Widerstand leisteten und dafür nicht selten ermordet wurden, kaum beachtet und bleiben maximal eine Randnotiz. Kein Artikel zu den Kontinuitäten der NS-Täter in Justiz und Polizei, kein Artikel über die ausbleibenden „Entschädigungen“ für die Verfolgten des NS-Regimes und die Nichtanerkennung ihres Leids und dem oftmaligen Ausschluss der bereits Verfolgten von der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Damit ist die NOZ mit verantwortlich zu machen für eine Diskursverschiebung, sie führt die Leser:innen weg von den Taten und der Verantwortung der Tätergeneration hin zu einem wehleidigen Bedauern um die einst schöne Altstadt Osnabrücks. Sie hat damit Anteil an einem von Rechten gern genutzten Narrativ. Sie können die Ausführungen in der NOZ wunderbar zitieren, rechte Rhetorik wird mehr und mehr „normal“. Auch wenn das vielleicht nicht die treibende Intention hinter jedem schlechten Artikel der NOZ ist, so kann man sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen.

Vielmehr muss und soll diese Auseinandersetzung verdeutlichen, wie wichtig es ist, ebensolche Narrative und Geschichtsbilder nicht unwidersprochen zu lassen. Denn es ist diese Normalisierung rechten Gedankenguts, welche auch durch schlechten und/oder konservativen bis rechtsoffenen Journalismus befeuert und gestützt wird und aus denen die Taten erwachsen, die bereits besprochen wurden.

Es braucht laute und entschlossene Gegenrede. Zwar besitzen wir selbst keine überregionale Tageszeitung noch haben wir vergleichbare Ressourcen. Und nichtsdestotrotz müssen wir die uns zur Verfügung stehenden Kanäle, Möglichkeiten und Gespräche nutzen, um falsche, rechte und reaktionäre Aussagen nicht unwidersprochen zu lassen. Findet diese Gegenrede nicht statt, kann schnell der Eindruck entstehen, die vorherrschende und einzig geltende Analyse der Geschichte sei die oben beschriebene. Das stimmt nicht, diese Fokusverschiebung gilt es bestmöglich zu behindern, zu verhindern.

Kriege konnten und können nur geführt werden, wenn Waffen produziert und breite Bevölkerungsmassen mobilisiert und auf einen (möglichen) Krieg eingestimmt werden. Der fortschreitende Geschichtsrevisionismus gibt ebenso Anlass zur Sorge wie die mögliche Produktion von Rheinmetall in dem VW-Werk in Osnabrück. Beidem wollen wir uns entgegenstellen.

Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus muss wachgehalten werden, sie muss im Zentrum des Gedenkens und Erinnerns stehen. Es darf kein Schlussstrich geben, denn dies würde zum einen den Gemordeten ihre Würde erneut nehmen. Zum anderen gilt es den Schwur von Buchenwald nicht zu vergessen und als nach wie vor aktuelle Notwendigkeit hochzuhalten und zu verwirklichen: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“