Liebe Genoss:innen, liebe Freund:innen, liebe Antifaschist:innen, bloß um einen Tag verpasst hat die CDU um Friedrich Merz den heutigen Jahrestag des Regierungsantritts der Nationalsozialisten in sog. „bürgerlicher“ Gesellschaft. Vielleicht hat es aber auch erstmal gereicht, dass eine Sitzung des Bundestags mit einem Gedenken an die Shoah beginnt und mit jubelnden Faschisten endet.
Wie ihre Vorgänger auch sehen Merz und die CDU in der – vorerst – noch verklausulierten und über Bande gespielten Paktiererei mit einer faschistischen Partei die Gelegenheit, Politik zu machen, für die sich im Moment keine anderen Mehrheiten finden lassen. Dass Merz der SPD und den Grünen vorwirft, eine Mehrheit durch Zustimmung der AfD sei nur nötig gewesen, weil sie ihre Zustimmung verweigern, stellt die ganze Scharade bloß. Wenn sich innerhalb des selbsterklärten demokratischen Spektrums manche Inhalte gerade nicht durchsetzen lassen, müssen halt die Faschisten ran.
Diese Begründung rechtfertigt jede gerade opportune Mehrheit mit Faschisten. Und für solche Mehrheiten gibt es eine Menge Spielraum, wenn die Katze erstmal aus dem Sack ist: Sei es – offensichtlich – bei rassistischen und fremdenfeindlichen Maßnahmen, beim Abbau von Sozialleistungen, bei der weiteren Beschneidung der Rechte von Arbeiter:innen und Gewerkschaften, bei der Unterminierung von Klima- und Umweltschutz, bei der Umsetzung von frauen- und queerfeindlicher Politik oder bei der allgemein fortschreitenden autoritären Formierung und Militarisierung dieser Gesellschaft und dieses Staates. Die Spaltungslinien der Parteipolitik machen klar, was für das selbsterklärte bürgerliche Spektrum verhandelbar ist, und was eben nicht. Menschenrechte stellen Verhandlungsmasse dar, das Recht aus der Ausbeutung von Menschen und der Zerstörung der Natur Profite zu erzielen und die Militarisierung der BRD sind unantastbar.
Der Schulterschluss von CDU und FDP mit der AfD entlarvt außerdem das Gefasel vom „bürgerlichen“ Kampf gegen Antisemitismus als hohle Phrasendrescherei. Es erfüllt seinen Zweck in der Formulierung rassistischer Positionen, die sich dadurch auch noch gut anfühlen. Eine Partei, die sich Mehrheiten für menschenfeindliche Politik bei einer antisemitischen Partei besorgt, die Gedenkveranstaltungen wie die gestrige im Bundestag einem „positiven“ Zerrbild deutscher Geschichte opfern möchte, ist im Kampf gegen Antisemitismus nicht ernst zu nehmen.
Dass Merz die sog. „Brandmauer“ als der CDU von außen aufgezwungen beschreibt (und dabei im Übrigen lügt) stellt klar, dass es innerhalb real existierender konservativer und liberaler Parteien keine eigene Trennlinie gegen faschistische Umtriebe gibt. Dabei ist das Gerede von dieser „Brandmauer“ ohnehin weitgehend ohne Inhalt, tragen SPD, FDP, Grüne und CDU doch seit Jahren Brenngut und Glutnester von jener Seite auf diese, solange bloß die formale Ablehnung der AfD als Partei, nicht jedoch ihrer Inhalte, wie bröckelig auch immer erhalten bleibt.
Die gestrige Abstimmung ist daher bloß ein weiterer neuer Höhepunkt einer jahrelangen Rechtsentwicklung. Der Versuch der Bildung einer CDU-FDP-Landesregierung von Gnaden der AfD in Thüringen im Februar 2020, die seit Jahren bewusst vorangetriebene Verwechslung des Rechtsstaats mit seiner immer weiteren Aushöhlung, das von der CDU eingerichtete – und von der SPD dankend übernommene – Ministerium für Deutschtümelei (bezeichnender- und passenderweise an den Repressionsapparat angeschlossen) Asylrechtsverschärfung nach Asylrechtsverschärfung und so weiter und so fort. SPD und Grüne haben sich nach den Großdemos gegen die sog. „Remigrationspläne“ der AfD vor einem Jahr in rasantem Tempo auf Linie gebracht: Der Ausländer muss raus.
Mit dieser Politik, und besonders mit dem offenen Schulterschluss von CDU, FDP und AfD, wird dem nächsten Pogrom der Boden bereitet und ihm die Rechtfertigung verschafft. Er gibt denen, die sich nicht-deutscher Menschen entledigen wollen, Bestätigung.
Dagegen gilt es anzutreten. Ernstzunehmender Antifaschismus richtet sich gegen menschenfeindliche Überzeugungen und Politik, ganz gleich ob sich deren Protagonist:innen Mäntelchen von Respektabilität oder „Bürgerlichkeit“ überwerfen. Konsequenter Antifaschismus muss an die Grundlagen einer Gesellschaft gehen, in der faschistische Überzeugungen und Kräfte gedeihen können. Er muss sich gegen eine Gesellschaft richten, in der Menschen als nützlich und nutzlos kategorisiert werden. Er muss sich gegen eine Gesellschaft richten, die Menschen zu Konkurrent:innen abrichtet, vereinzelt und isoliert. Konsequenter Antifaschismus muss daher antikapitalistisch sein.
Gegen Staat, Nation und Kapital. Für eine Gesellschaft freier und gleicher Menschen, in der alle gut und ohne Angst leben können.