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Zu den Gerichtsverhandlungen gegen Antifaschist*innen in Osnabrück

Statement der antifaschistischen Mitmach-Kampagne „Den Rechten die Räume nehmen“ zu den Gerichtsverhandlungen gegen Antifaschist:innen in Osnabrück.

In Osnabrück fanden in den letzten Wochen drei Gerichtsverhandlungen gegen vier Antifaschist:innen statt. Als Kampagne „Den Rechten die Räume nehmen“ haben wir die Prozesse solidarisch begleitet und vor den Verhandlungen für Öffentlichkeit gesorgt. Wir freuen uns, dass so viele Antifaschist:innen unserem Aufruf gefolgt sind. Bei jeder Verhandlung war der Gerichtssaal zu klein für den Andrang an Unterstützer:innen.

Alle Verfahren sind nun zu Ende.

AfD-Simulantin

Bei der ersten Gerichtsverhandlung am 3. Juni 2024 lautete der Vorwurf „Fahrlässige Körperverletzung“ und Sachbeschädigung. Nach einer Protestaktion von uns gegen einen AfD-Infostand vergangenes Jahr hatten Aktivist:innen Mülltüten aufgestellt, damit Passant:innen die AfD-Flyer direkt fachgerecht entsorgen konnten. Dem kamen auch viele nach. Ein Antifaschist wollte ebenfalls AfD-Flyer vom Infotisch der AfD mitnehmen, als eine AfDlerin, Agnetha Niemann (die Freundin des Vorsitzenden Florian Meyer) plötzlich nach seiner Hand griff. Im Anschluss zeigte sie den Aktivisten wegen fahrlässiger Körperverletzung an, sie war der Meinung er habe sie an der Hand verletzt. Die AfD erstattete außerdem Anzeige wegen Sachbeschädigung wegen der Flyer.

Vor Gericht war sich die „Geschädigte“ nach ein paar Nachfragen durch den Verteidiger nicht mal mehr sicher ob der Antifaschist sie überhaupt berührt habe. Zuvor hatte die AfD Osnabrück das Ganze noch mit dem Messerangriff eines Islamisten auf den Rassisten Stürzenberger in Mannheim verglichen. Die meiste Zeit erzählte Agnetha Niemann aber ohnehin davon, dass sie sich mit dem Angeklagten über Pferde unterhalten habe (no joke), zum Programm ihrer Partei habe sie ihn an ihre Kameraden verwiesen. An dieser Stelle musste dann selbst die Staatsanwaltschaft einsehen, dass es wohl nicht zur Verurteilung wegen Körperverletzung kommen wird. Der Antifaschist wurde schließlich wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Euro verurteilt und der Haussegen beim Vorsitzenden der AfD Osnabrück und seiner Freundin hing nach der Verhandlung offenbar schief, sie verließen das Gerichtsgebäude mit lautstarkem Streit.

Das Kreideverfahren

Der bereits vor den Verhandlungen wohl bekannteste Fall war die Repression gegen zwei Antifaschist:innen wegen einer Protestaktion gegen einen AfD-Infostand vor dem Osnabrücker Haarmannsbrunnen, bei der der Ort mit Sprühkreide verschönert wurde. Ihnen wurde „gemeinschädliche Sachbeschädigung“ vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft forderte insgesamt 5.600 Euro Strafe, dies hätte auch eine Vorstrafe für einen Aktivisten bedeutet. Alleine dass es bei Sprühkreide überhaupt zu einer Anklage kommt ist schon albern genug. Es zeigt, das Polizei, Staatsanwaltschaft und nicht zuletzt auch die Stadt, schließlich hat diese die Anzeige erstattet, antifaschistischen, kreativen Protest versuchen zu kriminalisieren. Es zeigt, dass Aktivist:innen, selbst wenn sie Mittel wählen, die eben keinen Sachschaden verursachen, mit Repression überzogen werden.

Beide Verfahren wurden am 18. Juni 2024 vor Gericht eingestellt, eine Person muss allerdings 2.000 Euro an Pro Asyl zahlen. Nun ist Pro-Asyl nun wahrlich keine schlechte Auswahl für eine Spende, finanziell kommt es aber einer saftigen Geldstrafe gleich.

Mittelfinger gegen die Burschenschaft

Am 27. Januar 2024 organisierten wir eine große Demonstration mit über 2.200 Teilnehmer:innen unter dem Motto „Alle zusammen gegen den Faschismus“. Die Demonstration ging unter anderem am Haus der Burschenschaft Arkadia Mittweida in der Herderstraße vorbei. Die extrem rechte Burschenschaft hat enge Verbindungen zur AfD, ihrer Jugendorganisation und zur sogenannten Identitären Bewegung. Vor Ort zeigte praktisch der gesamte Demonstrationszug – also über 2.000 Leute – der Burschenschaft den Mittelfinger, was sowohl die Aussage eines Journalisten der Neuen Osnabrücker Zeitung vor Gericht als auch Fotos bestätigen. Vor der Burschenschaft waren mehrere Greiftrupps der Hundertschaft positioniert. Bei zwei Demonstrant:innen (einer stand nun vor Gericht) wurde der Mittelfinger als gegen sie gerichtet gedeutet und sie stellten allen Ernstes Anzeige wegen Beleidigung.

Vor Gericht forderte die Staatsanwaltschaft ein Geldstrafe in Höhe von 450 Euro. Obwohl sich die Polizist:innen in ihren Aussagen widersprachen, obwohl sie behaupteten der Angeklagte habe 10 Meter von ihnen entfernt gestanden und gleichzeitig in der ersten Reihe in Richtung des Burschenschaftshauses (was nicht möglich ist, so breit ist nicht einmal die Straße), wurde der Angeklagte zu 30 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt. Dem Richter genügte es, dass die drei als Zeugen geladenen Polizist:innen zum einen allesamt behauptet hatten, dass der Antifaschist ihnen ein paar Sekunden in die Augen geschaut haben soll. Das es nicht möglich ist, drei Menschen gleichzeitig mit den Augen zu fixieren, spielte keine Rolle. Zum anderen haben zwei Polizist:innen behauptet, er habe den Mittelfinger hoch und wieder runter genommen, der Richter war sich sicher, dass der zweite Mittelfinger den Polizist:innen galt. Außerdem stand für den Richter fest, dass sich Polizist:innen nicht absprechen, schließlich verlören diese dann ja ihren Job. Schöne Parallelwelt.

Von den ca. 2.000 Mittelfingern der anderen Demonstrant:innen wollten die Polizist:innen im Übrigen nichts mitbekommen haben. Im Anschluss an das Verfahren zeigten die drei Polizist:innen direkt einen der Unterstützer an, er hatte seine Brille mit dem Mittelfinger hochgeschoben. Willkommen im Kindergarten.

Wir als Kampagne „Den Rechten die Räume nehmen“ lassen uns von dieser Repression nicht einschüchtern. Wir stehen weiter solidarisch an der Seite von allen Antifaschist:innen die von Repression betroffen sind. Mit den Repressionskosten werden die Angeklagten natürlich nicht alleine gelassen. Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle, also tragen wir die Strafen auch gemeinsam. Wir werden weiter gegen die AfD und andere rechte Akteure in Osnabrück vorgehen.

Keine Kriminalisierung von Antifaschismus!