In Essen fanden am 28. – 29. Juni 2024 die bisher größten Proteste gegen einen AfD-Bundesparteitag statt. Es waren vor allem aber auch die stärksten Blockadeversuche seit der Gründung dieser faschistischen Partei.
Das Bündnis „Widersetzen“ (https://widersetzen.com/) hatte bundesweit nach Essen mobilisiert: Aus über 60 Städten fuhren Busse nach Essen – alle mit dem Ziel den Parteitag der AfD zu verhindern und ein öffentliches Zeichen gegen die Erstarkung des Faschismus zu setzen. Allein das war eine ziemliche Kraftanstrengung und wir wollen uns bei den Organisator:innen für ihre Arbeit bedanken. Auch wir beteiligten uns an der Mobilisierung und in den frühen Morgenstunden des 28. Juni startete in Osnabrück ein voller Bus Richtung Essen.
Das Ziel den AfD-Parteitag zu verhindern konnte nicht erreicht werden. Trotzdem bewerten wir den Tag als Erfolg. Nicht aus Trotz oder Schönfärberei, sondern vornehmlich wegen der folgenden vier Gründe:
- Bereits im Vorfeld der Aktion erfolgte eine öffentliche Diskursverschiebung hinsichtlich der möglichen Wahl der Mittel, wie mit der AfD und ihren Versammlungen umgegangen werden kann. Dass es ein legitimes Mittel ist, den Parteitag der AfD durch Blockaden unter Druck zu setzen oder gar zu verhindern, traf auf Zustimmung bei vielen Menschen.
- Das Bündnis „Widersetzen“ war mit Blick auf die teilnehmenden politischen Akteure, Gruppen und Organisationen deutlich breiter aufgestellt als es Blockade-Bündnisse dieser Art in der Regel sind. Insbesondere die klare Positionierung und Beteiligung von Gewerkschaften und ihren Mitgliedern sind ein wichtiger Faktor für eine starke antifaschistische Bewegung.
- Über 100 Delegierte der AfD kamen deutlich zu spät zum Parteitag und für noch mehr war der Tag ein kraftvolles Signal, dass diese Partei und ihre faschistischen Wiedergänger mit hartem Widerstand zu rechnen haben.
- Im Nachgang kommt es aktuell zu den erwartbaren medialen Angriffen und Spaltungsversuchen seitens der Polizei und Teilen der bürgerlichen Presse: Versammlungsteilnehmer:innen werden in „friedlich“ und „unfriedlich“ aufgeteilt. Bereits vor den Protesten hatte NRW-Innenminister Herbert Reul deutlich gemacht, dass die Polizei „sehr robust“ gegen Antifaschist:innen vorgehen werde und damit der Polizei quasi freie Hand bei der Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Repressionsmittel gegeben. Dies nutzten die Polizeiführung und zahlreiche Einsatzkräfte dann auch vor Ort und es kam zu massiven Polizeiübergriffen. Einige Antifaschist:innen mussten, teilweise mit Knochenbrüchen, ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ganze Gruppen in ihren Bussen erhielten direkt bei ihrer Ankunft Platzverweise und selbst Anwält:innen wurden von der Polizei eingekesselt. Die Meldungen der Polizei während und nach den Protesten waren so übertrieben wie vorhersehbar und Teile der Presse fungierten, wie immer, als der mediale Arm der Exekutive und übernahmen die verzerrten Darstellungen. Das Bündnis hielt diesen Spaltungs- und Diffamierungsversuchen jedoch Stand. Es erfolgte keine Entsolidarisierung, was gerade in Anbetracht der oben erwähnten breiten Aufstellung des Bündnisses hervorzuheben ist. Stattdessen beginnt nun eine gemeinsame, koordinierte Aufarbeitung der Polizeigewalt.
Wie geht es weiter?
Klar ist, dass der politische Rechtsruck nicht gestoppt ist – die AfD ist dabei wichtigster Akteur. Die Parteitage sind für diesen blau-braunen Haufen medial und organisatorisch wichtige Zusammenkünfte. Eine antifaschistische Bewegung muss der AfD diesen öffentlichen Raum streitig machen und ihn besetzen.
Wir plädieren daher dafür, den im Zuge der Proteste gegen den Parteitag gewachsenen organisatorischen Rahmen von „Widersetzen“ weiterhin zu nutzen und auszubauen.
Das Vorbild von „Widersetzen“ ist „Dresden Nazifrei“: Im Jahre 2010 und 2011 gelang es Europas größten Naziaufmarsch durch Massenblockaden sowie dynamische und „robuste“ antifaschistische Aktionen zu verhindern. Die Nazis gaben in Anbetracht des Widerstandes und der Unmöglichkeit, ihren Aufmarsch abzuhalten, auf und die rechts-revisionistische Versammlung fand in der vorherigen Dimension nicht wieder statt.
Nun ist „Dresden Nazifrei“ jedoch 2010 nicht einfach über Nacht gegründet worden und konnte direkt diesen Erfolg einfahren. Nein, es brauchte Zeit und einen langfristigen Organisationsaufwand um diese Wirkung zu erzielen. Gleiches gilt für „Widersetzen“.
Entscheidend für die Positionierung des Bündnisses wird sein, nicht zum Feigenblatt der Ampel-Regierung bzw. der bürgerlichen Parteien zu werden, sondern diese und ihre wankelmütige Politik wahrnehmbar und deutlich zu kritisieren.
Denn die AfD ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ein Symptom der bestehenden Verhältnisse und ihr weiteres Erstarken fällt nicht zufällig mit der akuten wirtschaftlichen und politischen Krisensituation zusammen. Der AfD darf die vermeintliche Rolle der Opposition nicht überlassen werden.
In diesem Sinne: Widersetzen! Gegen die AfD und gegen die Verhältnisse die sie hervorbringt!
Zur weiteren Auseinandersetzung mit einer antifaschistischen Strategie empfehlen wir den gerade veröffentlichten Aufruf antifaschistischer Gruppen „Zeit zu handeln“. (https://zeitzuhandeln.net/)