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„Wir nehmen uns die Straße!“

Bei Demos, Streiks oder Kundgebungen wird der oft triste Alltag durchbrochen. Wir kommen zusammen und verleihen unseren politischen Überzeugungen kraftvoll Ausdruck. Der politische Kampf um den öffentlichen Raum ist von zentraler Bedeutung für uns Linke und Antifaschist*innen.

Doch sich die Straße zu nehmen, bedeutet weit mehr als das!
Wir möchten mit diesem Text die Bedeutung der Straße verdeutlichen, den Kämpfenden für eine bessere Welt unsere Solidarität aussprechen und uns alle zum Weitermachen motivieren.

Die Bedeutung unseres Kampfes

Vielleicht hast du dieses Flugblatt gerade auf einer Kundgebung gegen die AfD erhalten, vielleicht bei einem Streik oder einem Protest gegen rechte Burschenschaften. Das ist gut so, du stehst hier genau richtig!

Gemeinsam wollen wir Rechten und Reaktionären jeglicher Couleur die Straße streitig machen, ihnen den öffentlichen Raum nehmen, sie nicht marschieren lassen, verhindern, dass sie ihre menschenverachtende Ideologie verbreiten. Sicherlich, das kann anstrengend sein. Mal regnet es, mal ist es kalt, mal sind wir nur wenige Menschen, die sich den Rechten in den Weg stellen, für selbstverwaltete Räume kämpfen oder für bessere Arbeitsbedingungen streiken.

Wir möchten Dich und auch zukünftige Freund*innen und Genoss*innen genau dazu aufrufen. Und wir möchten Dir unsere Solidarität aussprechen. Linke und Linksradikale, Antifaschist*innen – wir alle – dürfen die Bedeutung des öffentlichen Raumes und des politischen Kampfes um die Straße nicht unterschätzen. Die Wichtigkeit dieses Kampfes wollen wir hier veranschaulichen – um weitere Menschen zu erreichen aber auch um uns selbst darin zu bestärken, das zu tun, was wir tun, wenn wir uns die Straße nehmen.

Antifaschismus als Selbstschutz

Wir verstehen Antifaschismus als Selbstschutz der Arbeiter*innenklasse – unserer Klasse. Es geht darum unsere Viertel, unsere Communities und alle öffentlichen Räume vor Rechten, Reaktionären und antiemanzipatorischen Angriffen aller Art zu schützen und zu verteidigen.

Wir können und müssen uns bewusst machen, dass das, was uns eint, die Zugehörigkeit zu unserer Klasse ist – wir besitzen kein Eigentum an Produktionsmitteln und müssen unsere Arbeitskraft verkaufen und Lohnarbeit leisten. Auch wenn sich Lebensrealitäten oder Erfahrungen unterscheiden – wir bilden die Arbeiter*innenklasse. Doch um dies auch zu begreifen, ist es notwendig sich zu treffen, sich kennen zu lernen und zu vernetzen. In dem Dokumentarfilm „Wir brauchen keine Erlaubnis“ von Pietro Perotti über die Arbeitskämpfe bei Fiat im Italien der 70er-Jahre bekräftigte dieser: „In diesem Kampf ist es wichtig, nicht vereinzelt zu bleiben.“ Hierbei bezog er sich auf eine der zahlreichen Demonstrationen der Arbeiter*innen; nicht zuletzt wurde demonstriert, um zusammen zu kommen. Wir stimmen zu: Nur im Austausch miteinander, insbesondere auch auf unseren Demonstrationen, kann sich Klassenbewusstsein entwickeln. Nutzen wir sie als Raum für Diskussionen, Austausch und Organisierung. Demos sind mehr als nur ein „Event“ – das sollten wir begreifen.

Also auf die Straße

Bei Demos, Streiks oder Kundgebungen wird der oft triste Alltag durchbrochen. Man ist solidarisch, kämpferisch und laut gegen Monotonie und Vereinzelung. Das ist empowernd, die Kraft, die in unserer Bewegung steckt, wird hier spürbar – nach innen wie nach außen. Diese Selbstbemächtigung brauchen wir insbesondere für längere Kämpfe: Wir lernen einander kennen, beginnen einander zu vertrauen, erringen zusammen politische Erfolge oder teilen vielleicht schmerzliche Erfahrungen.

Zudem werden die eigenen politischen Inhalte durch eine gemeinsame Aktion in die Öffentlichkeit katapultiert. Umstehende Menschen nehmen uns und unsere Anliegen wahr, können mit Inhalten erreicht und vielleicht sogar überzeugt werden, während der jeweilige politische Gegner demaskiert, blockiert oder abgeschirmt werden kann.

Der Staat geht genau dagegen immer häufiger vor: Unsere Demos werden bereits vor dem Start abgefilmt, mit engem Spalier durch die Cops begleitet, sodass wir unsere politischen Inhalte bspw. durch Transparente kaum mehr auf die Straße bringen können. Transparente werden so schlicht nicht mehr sicht- und lesbar; und das nicht zuletzt, weil ihre Größe und Länge von den Cops vorgegeben, also begrenzt, wird. Mal werden wir gekesselt, mal dürfen gar nicht erst loslaufen. Im schlechtesten Fall knüppeln die hochgerüsteten Cops in die Demo und überziehen sie mit Pfefferspray oder lassen Wasserwerfer auffahren. Dies beweist nicht zuletzt eines: Wenn wir uns als (radikale) Linke die Straße nehmen, reagiert die Staatsmacht nervös.

Die immense Akribie, mit der versucht wird Menschen und ihre Aktionen zu kriminalisieren und mit Repressionen zu überziehen, zeigt sich dann auch abseits von Demos oder Kundgebungen, wenn wir z.B. das graue Pflaster verschönert haben: Politische Aufrufe und Inhalte die – ob geklebt oder durch Graffiti – in die Städte gebracht werden, sind geeignet Menschen zu erreichen. Das macht diese Form des Aktivismus für Staat und Polizeiapparat umso unliebsamer. Wir wissen, dass ein Großteil politischer Agitation und Informationsverbreitung sowie auch Diskussionen und Debatten in den Sozialen Medien stattfinden. Die Algorithmen der Sozialen Medien fördern linke Themen und linken Content nicht, mag der Output auch groß sein. Denn der Algorithmus ist nicht willkürlich – es geht um Vermarktung; linker Content wirkt dabei oft als Fremdkörper. Diese Kanäle sollten also nicht allein die Mittel unserer Kommunikation sein. Auch wenn insbesondere die extreme Rechte in den „Social Media“ hetzt und sich dort zu inszenieren versucht: Ihre Taten, die Auswirkungen ihres widerlichen Denkens, erleben wir auf unseren Straßen. Dort müssen wir daher zuerst sein, gemeinsam, um so den Rechten den öffentlichen Raum streitig zu machen und damit uns und unsere Communities zu schützen.

Keine Toleranz der Intoleranz

Dass dies Erfolge mit sich bringen kann, zeigt die antifaschistische Mitmachkampagne „Den Rechten die Räume nehmen“ in Osnabrück. Mit einer unverändert hohen Zahl an Teilnehmenden, die sich im zweiwöchigen Rhythmus treffen und organisieren, gelang es regelmäßig sich den Infoständen der AfD entgegenzustellen, das Verbreiten ihrer Inhalte einzudämmen und einen Austausch mit den wenigen interessierten Leuten in hohem Maße zu erschweren bzw. massiv einzuschränken. Der vorerst letzte, eigentlich noch angekündigte Auftritt der lächerlich kleinen AfD-Truppe (Stand März 2024) wurde „krankheitsbedingt“ abgesagt. Eine kämpferische Demo zog am 27. Januar 2024 durch Osnabrück, legte rechte Strukturen offen und setzte ein starkes Zeichen antifaschistischer Geschlossenheit an die antiemanzipatorischen Akteure der Stadt. Im Zuge der anhaltenden Proteste, der Recherchen und Veröffentlichungen der Kampagne verlor die AfD ihren Versammlungsort in Osnabrück. Über Jahre hatte sich die AfD in den Hinterzimmern eines Restaurant zur Vernetzung und Infoabenden getroffen. Der antifaschistische Druck auf den Restaurantbetreiber war für ihn zu groß geworden, was dieser zähneknirschend einsehen musste.

Als am 13. Februar 2011 zum wiederholten Mal eine der größten europäischen Neonaziversammlung der Bombardierung Dresdens 1945 in geschichtsrevisionistischer und holocaustrelativierender Weise „gedenken“ wollten, konnte dies in beeindruckender Weise verhindert werden. Antifaschist*innen aus zahlreichen Städten und ein breites Bündnis hatten über Monate erfolgreich nach Dresden mobilisiert und die Organisation des Gegenprotests bewerkstelligt. Am 13. Februar selbst waren es über 20.000 Menschen, die gegen den Aufmarsch demonstrierten. Mehr noch: über 10.000 Menschen sorgten durch zahlreiche (Sitz-)Blockaden und teils militant nicht nur dafür, dass die Nazis nicht laufen konnten. Tausende Antifaschist*innen überwanden Polizeisperren und gelangten so zum Bahnhofsgelände, dem eigentlich angedachten Kundgebungsort der Neonazis. Die Zufahrtsstraßen zum Bahnhof wurden blockiert und Barrikaden errichtet. Auch die Versuche der Polizei diese aufzulösen, blieben durch die Entschlossenheit dieser antifaschistischen Aktion erfolglos. Viele Neonazis konnten so weder demonstrieren, noch gelangten sie überhaupt zum Kundgebungsort. Der zu diesem Zeitpunkt größte Neonazi-Aufmarsch, welcher für die Szene auch über Deutschland hinaus eine wichtige Möglichkeit der Vernetzung darstellte, konnte so unterbunden werden. An ihre früheren Mobilisierungen konnten sie hiernach nicht mehr anknüpfen.

Beide Beispiele zeigen eindrücklich: Machen wir den Faschos die Straße so entschlossen streitig, trauen sie sich (auf diesen) auch weniger.

Das gute Leben? Für alle!

Gleichwohl sollte unser Bestreben sein, die Straße nicht nur in Abwehrkämpfen gegen Reaktionäre zu verteidigen, sondern verstärkt dazu überzugehen, mit eigenen Themen und Inhalten aufzutreten, in denen die Kämpfe für das gute Leben für alle deutlich, sicht- und spürbar werden

Seien wir aktiv, seien wir präsent und ansprechbar.
Lernen wir einander kennen, vernetzen wir uns
und bauen unsere Strukturen auf.

Raus auf die Straße –
Reclaim the streets!*

*… und sollte es dafür zu kalt sein, dann kommt doch gerne jeden 1. und 3. Dienstag im Monat um 19:00 Uhr in das SubstAnZ (Frankenstraße 25a) zum Offenen Antifa-Café ;)