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Auf die Straße gegen Abschiebung und Polizeigewalt – Redebeitrag

Redebeitrag auf der Demonstration „Auf die Straße gegen Abschiebung und Polizeigewalt“ in Osnabrück am 16.03.2023

Thema Polizeigewalt, es ist so schrecklich, wir müssen dazu mal was sagen:

Wenn rassistische und faschistische Angriffe, von Beleidigung bis Mord, durch die Mühlen der deutschen Polizei- und Justizmaschinerie gedreht werden, kommt bei kritischeren Menschen schnell schon mal der Verdacht auf, die besagten Behörden seien „auf dem rechten Auge blind“. Oft passiert nach Anzeigen dieser Art aber nichts oder nur sehr wenig und schon garnichts für den Schutz der Opfer. Und wenn die Polizei selbst beschuldigt ist, sieht es noch schlimmer aus. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen darüberzu sprechen, dass diese Vorgänge oder besser, diese „nicht-Vorgänge“ nichts mit geschlossenen Augen zutun haben sondern mit Institutionen, die durch eine „rechte Brille“ auf Geflüchtete und alle anderen als „Ausländer“ bezeichneten Menschen starren.

Anders als in der Darstellung der Polizeidirektion Osnabrück sieht es auch hier in der „Friedensstadt“ Osnabrück so aus: wo im Oktober 2020 ein 19-jähriger Opfer rassistischer Polizeigewalt wurde, wo Polizist*innen einen Menschen in psychischer Ausnahmesituation direkt aus dem AMEOS Klinikum abschieben, wo Cops ihre Kolleg*innen decken wenn mal wieder ein Nazichat auffliegt. Die selbsternannten „Freunde und Helfer“ zeigen mit großer Regelmäßigkeit, dass sie, wenn es um rechte Gewalt und Rassismus geht, eher Totschweiger*innen, Wegschauer*innen und Mitmacher*innen sind.

Wer jetzt in einem typischen staatsbürgerlichen Reflex zurückschreckt, wer den inneren Drang spürt, die Repressionsorgane zu verteidigen, sei an die Terrorserie des NSU und die Rolle von Polizei und Geheimdiensten in diesem Zusammenhang erinnert.

Seit mehr als 10 Jahren gärt dieser Komplex von Verflechtung, Vertuschung und Verharmlosung unaufgeklärt vor sich hin, während in dem Jahrzehnt vor dem Auffliegen des NSU eine ihresgleichen suchende Verhöhnung der Familien der Opfer durch die Behörden durchgezogen wurde, indem die Polizei völlig einseitig gegen sie und ihr soziales Umfeld ermittelte. 

Auch der bis heute unaufgeklärte Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Lübeck 1996 sei hier erwähnt – in einem Vorgriff auf den amtlichen Umgang mit den Morden des NSU wurde auch damals ein Bewohner des Hauses für den Tod der zehn verbrannten und erstickten Menschen verantwortlich gemacht und jahrelang durch die Mangel der Justiz gedreht, obwohl noch in der Tatnacht drei Nazis mit angesengten Augenbrauen in der Nähe festgenommen worden waren.

Von 1996 bis heute hat sich leider auch nicht viel verändert. Recherchen von Genoss*innen aus Bochum haben ergeben, das allein 2022 36 Menschen durch Gewalt durch die Polizei zu Tode gekommen sind. Die deutschen Behörden sprechen allerdings nur von 21 Menschen, die im zusammenhang mit Polizeieinsätzen ihr Leben verloren haben. 

Ein Indiz dafür, das die deutsche Polizei den Zusammenhang von Toden und ihrem Handeln nicht zieht oder bewusst vertuscht. 

Was kann nun als tragfähige Erklärung für das kritisierte Verhalten von Polizei und Justiz dienen? Sind einfach eine Mehrheit der Cops, Staatsanwält*innen und Richter*innen Rechte und Rassist*innen?

Zweifellos sind es sehr viele von ihnen, so kam beispielsweise eine Studie der FU Berlin aus dem Jahre 2003, in der Mitglieder von Polizeigewerkschaften befragt wurden, zu dem Ergebnis, dass 19% der Studienteilnehmer*innen rechtsextreme Ansichten vertraten. Die Verhältnisse werden heute, angesichts einer gesamtgesellschaftlichen Verschärfung von Rassismus und rechter Gesinnung eher noch schlimmer sein, auch wenn bezeichnenderweise keine aktuelleren Studien zur gesamten Lage bei der Polizei vorliegen.

Eine auf rechte und rassistische Ideologien in den Köpfen von Einzelpersonen innerhalb der Staatsorgane konzentrierte Erklärung reicht aber nicht aus, erklärt sie doch den institutionalisierten, das heisst in den Behörden selbst angelegten Rassismus nicht.

Denn Polizeirassismus hat strukturelle Gründe: Laut Gesetz muss die Bevölkerung ständig in Menschen mit Aufenthaltsgenehmigung und solche ohne, sogenannte „illegale Ausländer“, aufgeteilt werden – das gehört zu den Aufgaben der Polizei. Nun sieht mensch den Leuten aber nicht an, was in ihren Papieren steht, weshalb Polizist*innen ganz notwendigerweise, aus ihrem staatlichen Auftrag heraus, zur Praxis des racial profiling übergehen, d.h. eine Selektion von besonders zu kontrollierenden Menschen anhand von äußeren Merkmalen, vor allem Hautfarbe, durchführen.

Aus dem staatlichen Herrschaftsanspruch zur Aufteilung von Menschen in „legal“ und „illegal“ ergibt sich direkt und zwangsläufig eine rassistische Polizeipraxis.

Der politische Hintergrund dieser Sortierungs- und Ausgrenzungslogik ist ein zweifacher – einerseits will der Staat als Gewaltmonopolist die absolute Kontrolle darüber ausüben, wer sich auf seinem Territorium aufhält. Menschen die im Verdacht stehen, sie könnten anderen Nationalstaaten gegenüber loyal sein, sind da immer verdächtig.

Andererseits führt der Staat, der von einem Gelingen der Kapitalvermehrung am nationalen „Standort Deutschland“ abhängig ist, eine Kalkulation durch, die nur als Nutzenrassismus bezeichnet werden kann.

Menschen die fürs Kapital leicht verwertbar sind und in den Augen der Dominazgesellschaft als „leicht integrierbar“ gelten, etwa gut ausgebildete aber billige Facharbeiter*innen, sollen ins Land kommen dürfen, alle anderen hingegen, egal wie groß ihre Not ist, sollen prinzipiell draußen bleiben.

Das schließt dann ihr Ertrinken im Mittelmeer ebenso ein wie ihr Dahinsiechen und Sterben in vom Weltmarkt abgehängten, zerfallenden Staaten, deren Kriege und Konflikte auch mit Gewehren und Panzern des weltweit viertgrößten Rüstungsexporteurs, Deutschland, angeheizt werden.

Diese menschenfeindliche staatliche Logik, bedeutet, dass Polizist*innen „von Amts wegen“ so einiges mit Faschos und anderen Rechten gemein haben: Das grundsätzliche Misstrauen gegen alle „Ausländer“ und die Sorge um die Nation als staatlich hergestelltes Zwangskollektiv.

Der strukturelle Rassismus der Polizeibehörden zeigt sich auch direkt, als immer wieder von ihnen ausgehende brutale Gewalt, bis hin zum Mord, etwa im Falle Oury Jalloh oder Mouhamed Dramé, der im Innenhof seiner Wohngruppe in der Dortmunder Nordstadt von Polizist*innen mit Pfefferspray und Taser angegriffen und schließlich mit mehr als 5 Schüssen aus einer Maschienenpistole ermordet wurde.

Speziell beim Mord an Mouhamed gelobte die Polizei schnelle Aufklärung. Diese sollte die Polizei aus Recklinghausen übernehmen, die einen Tag zuvor allerdings auch einen psychisch erkrankten Menschen bei einem Einsatz ermordete.

Durch den Korpsgeist der Cops, und die Ermittlungsunwilligkeit von Staatsanwaltschaften gelingt es jedoch meistens, rassistische Polizeigewalt aus den Augen der Öffentlichkeit herauszuhalten und Täter in den eigenen Reihen zu schützen. 

Unter Berücksichtigung des Gesagten sollte sich niemand wundern, wenn die deutschen Repressionsorgane den rechten und rassistischen Hintergrund von Angriffen gegen Menschen mit Migrationshintergrund oft bezweifeln, bestreiteten oder herunterspielen, und wenn sie sich an deren Vertuschung aktiv beteiligen.

So ist es unsere Aufgabe in antirassitischen und antifaschistischen Kämpfen,  rassistische Polizeipraxis zu markieren und zu bekämpfen. Wir müssen uns mit den Betroffenen solidarisieren, ihre Erfahrungen hören und in die Öffentlichkeit tragen. Wir müssen Menschen wie die Genoss*innen von No Lager in ihren vielfältigen Kämpfen unterstützen und gemeinsam dafür streiten diese Welt zu einer lebenswerten Welt für alle zu machen. In Osnabrück, in Europa und auf der ganzen Welt!

Für die befreite Gesellschaft! No Borders! No Nation!