Kategorien
Feminismus International Texte

Redebeitrag zum 1. September 2020 Antikriegstag – Rojava

Rojava ist der Versuch, einen Traum zu verwirklichen. Seit 2014 haben hier Menschen Basisdemokratie und Gleichwertigkeit gelebt – ein Leben das seit dem Angriff der Türkei im Juni diesen Jahres aufs äußerste be-droht ist. Es sind nicht nur geostrategische Gründe die den faschistoiden Mega-Macho Erdogan gegen die Menschen in Rojava aufbringt.

Der Traum Rojava hat eine reale Grundlage, eine politische Philosophie, die jede kapitalistisch-patriarchale Macht grundsätzlich in Frage stellt. Ein politische Konzept, nach dem Rojava lebt und arbeitet, das in den Schriften eines kurdischen Kämpfers und Philosophen, Abdullah Öcalan, vorgestellt wird. Der dritte Band seiner Schriften ist gerade in deutscher Sprache erschienen unter dem Titel „Soziologie der Freiheit“.

Daraus wollen wir, zur Anerkennung dieses Konzeptes und seines Verfassers einige grundlegende Gedanken vorstellen. Übergreifend wird darin ein Naturbegriff entwickelt, der nicht wie in der kapitalistischer Ideolo- mit Abwertung verbunden ist.
Natur progressiv gedeutet umfasst drei Bereiche:
1. die Umwelt, 2. die Gesellschaft 3. jeden einzelnen Menschen.

1. Es besteht keinerleit Zweifel daran, das eine Gesellschaft wie Rojava, die die kapitalistische Ausbeutungs- ideologie als Ursache für die Zerstörung aller Lebensgrundlagen erkannt hat, ausschliesslich nachhaltige Wirtschafts- und Produktionsformen anstrebt.

2. Die kollektive Natur drückt sich aus in der Gründung von Gemeinschaften wie Rojava:
„Das unmittelbare Ziel der moralischen und politischen Gesellschaft kann weder die Nationalstaatswerdung noch eine religiöse Entscheidung oder ein anderes Regime als Demokratie sein. … Trotz der gesamten Unter-drückung und Ausbeutung durch das offizielle Weltsystem konnte diese andere Seite der Gesellschaft nie vernichtet werden.“ (S. 197) Deshalb sei die Fähigkeit der Selbstorganisation natürlich angelegt. Sie wird in der Praxis in Rojava in Rätestrukturen praktiziert.)

3. Der Mensch ist seit Jahrtausenden männlich definiert. Gegen die weibliche Hälfte der Menschheit, werden ihre natürlichen Fähigkeiten zur Reproduktion genutzt, um sie zu versklaven. Während Männern Rationalität zugeschrieben wird, soll die Frau gefühlsgesteuert sein.
„Die Emotionalität der Frau rührt daher, dass sie nicht so extrem von der universalen Dialektik des Werdens abgewichen ist. … die gefühlsgeladene Vernunft der Frau, wurde von der männlichen Vernunft stets als ‚man-gelhaft‘ und als der Frau eigener Charakter dargestellt.“ (S. 74)
„Im kapitalistischen System ist die wahre Königin der Waren die Frau. Es gibt keine Beziehung der Frau, die nicht angeboten wird, keinen Bereich, wo sie nicht benutzt wird. Mit dem Unterschied, dass obwohl jede Ware einen akzeptierten Gegenwert hat, dieser für die Frau in einer riesigen Respektlosigkeit besteht, weil die Riesenfrechheit der ‚Liebe‘ bis zu Sprüchen wie ‚Mütterarbeit ist unbezahlbar‘ reicht. …Wenn der Mann … für die Frau, ohne die er angeblich nicht leben kann, eine derartige Behandlung angemessen findet – was wird er dann Gesellschaft und Umwelt alles antun? Diese Vernunft aufzuhalten wird nur möglich sein, wenn zunächst die von ihr zerstörte gesellschaftliche Moral und Politik ihren Platz zurückerhält. Besser gesagt, Dies muss die Grundlage für einen Neubeginn sein.“ (S. 75)
„Die Freiheit und Gleichheit der Frau sind nicht lediglich Maße für die gesellschaftliche Freiheit und Gleich-heit. Sie erfordern auch Theorie, Programm, Organisation und Handlungsmechanismen. Noch wichtiger: Dies zeigt auch, dass es ohne Frauen keine demokratische Politik geben kann, dass sogar eine Klassenpolitik mangelhaft bleibt, kein Frieden geschaffen und keine Umwelt geschützt werden kann.“ (378) soweit der Autor Abdulolah Öcalan.

Seit Beginn des kurdischen Kampfes waren Frauen in eigenen Strukturen und in Gemeinschaft mit Männern an diesem Kampf beteiligt. Jedes Amt, jede Funktion wird doppelt besetzt. – Ein solches Zusammenwirken gefährdet jede patriarchale Herrschaft, weil es zeigt: Nicht der Mann, sondern die gleichwertige Teilhabe aller Menschen in Achtung vor der Natur sind das Maß aller Dinge.
Wie sehr diese Grundsätze den Diktator Erdogan angreift hat seine Reaktion gezeigt auf die in Kurdistan bei den Kommunlawahlen doppelt besetzten Bürgermeister Funktionen.

Die vergleichsweise mageren Pflänzchen von Frauenrechten in der deutschen Gesellschaft die von AfD Nazis und Maskulinisten anderer Parteien als Untergang des Abendlandes verkaufen werden, nehmen sich dagegen aus wie ein Rinnsal gegenüber einem Wasserfall.

Es gereicht Rojava und der dort gelebten politischen Idee zur Ehre, das ihr Projekt in der gesamten kapitalis-tischen Welt ohne Beispiel ist.