Redebeitrag auf der Kundgebung “Drei Länder – Drei Gesichter – Ein Problem“ am 27.06.20 in Osnabrück:
Seit der Ermordung von George Floyd durch US-Polizist*innen gibt es in den USA antirassistische und klassenkämpferische Proteste, Riots und Selbstorganisierung. Auch wenn die Riots wohl nicht den langfristigen Erfolg haben, dürften die rassistischen Zustände und die Ausbeutung in den USA komplett zu überwinden, – dafür bräuchte es unserer Ansicht nach eine stärkere Organisierung – ist es dennoch Quatsch die Riots zu verurteilen. Nicht bloß weil das Aneignen von Gütern durch Plünderungen schlicht hilft mit der Armut klar zu kommen, sondern auch weil es Druck auf die Herrschenden ausübt. Das kapitalistische Geschäft funktioniert durch die Riots punktuell nicht mehr so reibungslos bis gar nicht und die Menschen fangen an sich selber zu organisieren. Oder anders gesagt: Dass gewalttätiger Protest nichts bringt, ist genauso Quatsch, wie die Annahme, dass Aufstände immer nach einem Saubermannplan ablaufen.
Und in Deutschland? Auch hier gab es eine Debatte über rassistische Polizeigewalt und große Massenproteste. Und auch in Deutschland war zu beobachten, dass sich Migrant*innen gegen Rassismus zusammenschlossen. Aber von den Herrschenden gab es vor allem Krokodilstränen und geheucheltes Verständnis für den antirassistischen Aufstand in den USA. Von Politiker*innen gab esauf Deutschland bezogen zum Großteil eine Verteidigung der Polizei. Seit Beginn der Debatte und der Proteste waren der Großteil der Politiker*innen, weite Teile der Medien und natürlich die Polizeigewerkschaften damit beschäftigt, was sie seit Jahrzehnten tun: Das Problem kleinreden und leugnen. So sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, dass es „keinen strukturellen und institutionalisierten Rassismus“ in der Polizei gebe. Und wegen der eigentlich sehr zurückhaltenden Aussage Saskia Eskens, dass es einen „latenten Rassismus“ in der Polizei gäbe, läuft nicht nur die CDU bzw. die AfD Sturm und Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft flippt aus, nein, die SPD selber läuft natürlich Amok.
Wer nach Oury Jallow, Halim Dener und vielen anderen immer noch behauptet, dass es nur „schwarze Schafe“ gäbe, läuft nicht nur blind oder ignorant an den täglichen rassistischen Polizeikontrollen vorbei, diese Leute machen diese ideologischen Verrenkungen auch weil die Polizei hierzulande mittlerweile sehr viel Macht hat und nun mal unverzichtbar ist für die Herrschenden.
Und Stuttgart werden nun viele sagen? Anhand von dem Riot in Stuttgart lässt sich vor allem eins erkennen: Die Doppelmoral der Herrschenden und ihren Fans. Hatten einige noch vor ein paar Wochen das berühmte Martin Luther King Zitat „a riot is the language of the unheard“ in ihre Timelines geklatscht, war das natürlich nicht auf Migrant*innen hierzulande bezogen. So lange der Aufstand weit weg ist und man gegen ein anderes Land in Stellung gehen kann passt es vielen natürlich in den Kram.
Statt also zu fragen, welche Gründe junge Menschen zu Riots und Abneigung gegenüber der Polizei nötigen, karrt man eine demolierte Bullenkarre extra noch einmal an den Ort des Geschehens, damit der Innenminister sich und seine Szenerie angemessen ins Bild setzen kann.
Auch in Deutschland sind rassistische und sozialchauvinistische Polizist*innen eben nicht die Ausnahme sondern die Regel, auch in Deutschland leben Menschen in Armut und auch in Deutschland explodiert das irgendwann mal. Dabei kommt es aber nicht nur auf die individuelle Einstellung der Polizist*innen an. Die Hauptaufgabe von Polizist*innen ist das Verteidigen dieser Eigentumsordnung, also dass z.B. mit Wohnraum Profit gemacht wird und Menschen von der Polizei aus ihrem Zuhause rausgeschmissen werden, wenn sie nicht zahlen können, dass Löhne niedrig gehalten werden und die Polizei den Streik im Notfall wegprügelt und dass die Polizei den Zugang zum öffentlichen Raum kontrolliert, also Gentrifizierung auch an öffentlichen Plätzen und Parks durchsetzt. Deswegen kontrollieren sie hier ständig im Schlossgarten und sie werden auch nun fleißig die Menschen am Schloss hier vertreiben, weil es ja nun diese tolle und teure Beach Bar geben wird. Das ist mit ein Grund warum es in Stuttgart in dieser Art und Weise Randale gab, den Menschen werden die Orte zum Treffen immer mehr genommen. Und diese Eigentumsordnung ist verwoben mit Rassismus, dieser legitimiert bspw. die beschissenen Löhne von migrantischen Arbeiter*innen.
Aufgabe einer Linken ist es jetzt zum einen die berechtigte Wut weiter zu politisieren und zum anderen Organisierungen voranzutreiben bzw. zu unterstützen.