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Was Corona uns lehrt – 1. Mai Edition

Der 1. Mai als angeblich politisches Ereignis wird 2020 vollständig ausfallen. Corona sei Dank. Keine langweiligen Latschdemos, keine Bratwürste bei der Kundgebung, kein DGB-Chef, der einmal im Jahr richtig auf „die da oben“ schimpft, obwohl er selbst dazu gehört.

Und keiner wird ihn allzu sehr vermissen. Warum auch? Die ursprüngliche Bedeutung des 1. Mai, den Opfern des Haymarket-Aufruhrs von 1886 zu gedenken, die im Kampf für den Achtstundentag ihr Leben verloren, verschwimmt im Dunkel der Geschichte. Und dem anderen Sinn, als „Kampftag der Arbeiterbewegung“, an dem Arbeiter*innen sich selbst und der ganzen Gesellschaft ihre Bereitschaft bewiesen, für ein gutes Leben gegen Kapital und Staat aufzustehen, ist schon lange die Spitze gebrochen.

Die Gewerkschaften in der BRD sind zahnlose Bürokratien, „Sozialpartner“ des Kapitals. Ihre Mitglieder an der Basis wurden zu verwalteten Nummern gemacht statt solidarische, selbstbestimmte Kämpfer*innen in eigener Sache zu sein. Ein Blick auf die sozialpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre zeigt es klar. Weder Hartz IV, noch die Ausweitung der Leiharbeit konnte die Gewerkschaftsbewegung verhindern. Und die Einführung des (jämmerlich niedrigen) Mindestlohnes wurde nicht etwa durch Streiks erkämpft. Nein, sie ist ein staatliches Trostpflaster auf der klaffenden Wunde des Niedriglohnsektors.

Warum also ein Flyer zum 1. Mai, wenn in Deutschland weder von diesem Tag, noch der dahinter stehenden Bewegung viel mehr übrig ist als staatstragendes Co-Management des Ist-Zustandes?

Ganz einfach – weil sich an den tiefer liegenden Gründen für Organisation und Widerstand nicht das Geringste geändert hat. Es liegt weiter im Interesse des Kapitals, die Löhne niedrig, die Arbeitszeiten lang, den Arbeitsschutz schwach und die Mitbestimmung im Betrieb unbedeutend zu halten – denn all diese Faktoren sind ein Abzug vom Profit.

Und uns Arbeiter*innen stehen nun, in Zeiten der Corona-Pandemie, neue schwere Angriffe bevor. Niemand sollte sich davon blenden lassen, dass im Moment in Politik und Medien viel von „Zusammenhalt“ die Rede ist und behauptet wird, dass wir alle „in einem Boot sitzen“.

Bald werden die Pleitewellen richtig losgehen, die Steuereinnahmen einbrechen, während gleichzeitig die Arbeitslosigkeit steigt, dass Heer der Kurzarbeiter*innen wächst und wegen des Virus die Ausgaben fürs Gesundheitssystem explodieren. Dann werden statt falscher „Solidarität“ die sogenannten „Sachzwänge“ regieren: runter mit den Löhnen, Senkung aller möglichen Sozialleistungen, eisernes Sparen wie es den Menschen in Südeuropa nach 2008 aufgezwungen wurde. Wir können uns dagegen nicht verteidigen, wenn wir alleine bleiben und auf den Staat vertrauen, dessen ganzes Bestehen am Gelingen des Profitmachens hängt.

In dieser Lage müssen wir auf den „Geist des 1. Mai“ setzen, den ursprünglichen Inhalt dieses Tages, auf das Bewusstsein eines unüberbrückbaren Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeiter*innenklasse und das gemeinsame Einstehen der Arbeiter*innen für unsere Bedürfnisse.

Das wird in den kommenden Monaten viele Formen annehmen: kämpferische Betriebsgruppen und Druck auf die Gewerkschaften von unten her, wilde Streiks, Arbeitslosenselbsthilfe, Mieter*innenkampf, Solidarität für Risikogruppen und Geflüchtete und vieles mehr. Wenn die Corona- Seuche ein Gutes hat, dann, dass sie uns indirekt die Macht des Massenstreiks ins Gedächtnis ruft: ohne die Arbeitskraft der Lohnabhängigen geht hier gar nichts. Warum also bei der eigenen Ausbeutung und Entrechtung mitmachen? Wir können zusammen die Verhältnisse zum Tanzen bringen, die Angriffe abwehren und selber endlich wieder in die Offensive kommen. Die Geschichte lehrt: es tun sich aus Kämpfen plötzlich neue Möglichkeiten auf.

Der Kapitalismus ist kein Naturgesetz, wir können ihn gemeinsam bekämpfen und abschaffen. Fangen wir jetzt damit an!