Es sollte eigentlich allen klar sein, dass die Klimakrise sich immer weiter zuspitzt. Selbst wenn nur die Hälfte der düsteren Prognosen eintrifft bleibt nicht mehr viel Zeit um die Lebensgrundlage der allermeisten Menschen auf diesem Planeten zu sichern. „Hurra, diese Welt geht unter“ verwandelt sich von einer Utopie in eine Apokalypse. „Die Welt geht unter“ scheint der angebrachtere Slogan sein. Schon jetzt sind Teile der Erde so massiv betroffen, dass Menschen wegen Hitze und Wassermangel ihre Wohnorte verlassen müssen.
Auch wenn immer mehr Akteure von der Klimakrise reden und sich mit ihr auseinandersetzen, verstehen sie viele der etablierten Parteien und Organisationen nicht oder wollen sie nicht verstehen. So gewinnen die Grünen an Aufwind und versuchen sich als Retter der Umwelt zu stilisieren. Kauft im Bio-Supermarkt ein, wird gefordert, und eine Fleisch- und CO2-Steuer soll her. Die Konsument*innen werden angegangen, was in dieser Gesellschaft zum allergrößten Teil Lohnabhängige sind. Eine CO2-Steuer würde logischerweise die Armen dieser Gesellschaft am stärksten treffen. Auch wenn es hier und da Ausnahmen geben mag, die soziale Frage im Kontext des Klimawandels taucht bei den Grünen und selbstverständlich auch bei der SPD kaum auf; vom Kapitalismus selber als Ursache der existenzbedrohenden Umweltzerstörung ganz zu schweigen. So wäre es doch beispielsweise sinnvoll und konsequent, den Warenverkehr nur dort wo es notwendig ist über LKWs laufen zu lassen, und stattdessen das Schienennetz auszubauen und Waren darüber von A nach B zu transportieren. Diese (wohlbemerkt reformistische) Forderung, findet man aber nicht. Dafür müssten sich Grüne und Konsorten mit bedeutenden Kapitalfraktionen, unter anderem der Automobilindustrie, anlegen und das könnte ja dem Standort Deutschland schaden. Es ist viel angenehmer Konsumkritik zu betreiben und Gesetze vorzuschlagen und ggf. umzusetzen, welche den Lohnarbeiter*innen schaden, insbesondere jenen die in einer prekären Lage sind. Dass solche Positionen auch noch von einer Partei kommen, welche mit Hartz IV viele Menschen in der BRD planmäßig verarmt hat und immer noch verarmt, ist an Zynismus kaum zu überbieten.
Auf genannte Akteure ist natürlich kein Verlass, zu stark haben sie sich auf die Seite des Standorts Deutschlands geschlagen, zu stark sind sie in den der Kapitalakkumulation verpflichteten Politikbetrieb eingespannt.
Anders verhält es sich bei Fridays for Future.
Natürlich gibt es auch dort Konsumkritik, auch die CO2-Steuer scheint manche (noch) zu überzeugen. Das mag auch teilweise mit der sozialen Zusammensetzung der Bewegung zu tun haben. Das ändert nichts daran, dass es notwendig und richtig ist, diese Bewegung zu unterstützen.
Uns irritiert dabei oftmals die Scheu, welche Teile der Linken und radikalen Linken haben, sich in die Auseinandersetzung zu begeben.
Fridays for Future ist erst knapp ein Jahr alt und hat es in diesem Jahr geschafft, die laufende Debatte rund um den Klimawandel anzustoßen und nahezu alle Teile der Politik dazu gezwungen, sich dazu zu verhalten. In diesem Jahr hat die Bewegung angefangen sich zu radikalisieren und es sollte klar sein, dass gerade eine junge Bewegung nicht homogen ist, es also natürlich auch drauf ankommt welche Positionen sich in ihnen durchsetzen.
Auch wenn es beispielsweise Konsumkritik gibt, ist doch die Stoßrichtung von FFF eine ganz andere: Der gemeinsame, politisch-praktische Nenner ist die Verweigerung des Schulbesuchs, während gleichzeitig die Lebensgrundlage der Menschen flöten geht. Das stellt ein ganz anderes Politikverständnis dar, als etwa das von irgendwelchen konsumkritischen Uni-Gruppen. Unter anderem diese Bewegung hat es vielmehr geschafft, dass die Möglichkeit des politischen Streiks im Vergleich zu ein paar Jahren deutlich mehr diskutiert wird. Darüber hinaus zeichnen sie sich durch einen hohen Grad an Selbstorganisierung aus und nicht nur hier in Osnabrück lassen sie sich nicht vor den Karren von Parteien spannen. So wurde sich nach der Europawahl unter anderem wie hier von der FFF-Gruppe aus Köln mit sehr klaren Worten von den Grünen abgegrenzt: „Wir sind eine überparteiliche Bewegung und möchten nicht, das diese für Wahlkampf oder jegliche Form von Parteiwerbung genutzt wird. Erst recht nicht von einer Partei, die Abschiebungen mitorganisiert, uns Hartz IV auferlegt hat und an vielen Stellen klimaschädliche Politik mitgetragen hat, weil sie nicht bereit ist, sich mit Kapitalinteressen anzulegen, wie etwa im Hambacher Forst, wo sie die Abholzung des Waldes bestätigten.“ Nach einem vor allem von Aufforderungen an die Politik, endlich zu handeln, geprägten Beginn von FFF versucht die Bewegung mittlerweile immer mehr die notwendigen Schritte selbst durchzusetzen oder solche Schritte zu unterstützen, etwa durch die Solidarisierung mit direkten Aktionen gegen die Braunkohleförderung. Es ist nur folgerichtig, sehr begrüßenswert und erfährt unserer Meinung nach bedeutend zu wenig Aufmerksamkeit aus der (radikalen) Linken, dass die Bewegung nun versucht, den (Schul)-Streik auf andere Bereiche der Gesellschaft, speziell die Lohnarbeit, auszuweiten.
Wir wollen mit diesem Aufruf vor allem Linke erreichen, welche der Bewegung mit einer falschen Skepsis gegenüberstehen. Dabei meinen wir nicht berechtigte Kritiken an manchen Positionen. Vielmehr die Reaktion von manchen darauf sich nicht einzubringen. Gerade Linken sollte eigentlich klar sein, Bewusstsein setzt sich (auch) in Bewegungen bei uns allen durch. Bei den Erfahrungen die gemacht werden, Organisierungsprozessen, Erfolgen und Fehlern sowie beim Kämpfen und durchsetzen gegen gegnerische Akteure. Wer sich wiederum in einer Bewegung durchsetzen kann ist gerade bei FFF nicht entschieden. Gerade weil es einen Flügel in der Bewegung gibt, der durch die Grünen integriert werden könnte, ist es wichtig den linken, antikapitalistischen Flügel zu unterstützen.
Die außerparlamentarische Linke kann nicht erwarten, dass breite Bewegungen einfach von ganz alleine radikal werden und so lange nörgelnd am Rand stehen bis es ihr schmeckt. Bei Fridays for Future hat allerdings tatsächlich eine Radikalisierung eingesetzt. Die (radikale) Linke kann im Gegenteil auch von dieser Bewegung lernen, beispielsweise von ihrem Durchhaltevermögen, ihrer relativ spontan entstandenen Selbstorganisierung und ihrer politischen Praxis.
Es lohnt sich also, sich hier ins Handgemenge zu begeben und sich nicht bloß von Berührungsängsten und politischen Reinheitsphantasien leiten zu lassen. Wir können froh sein, dass es eine solche Bewegung gibt. Wie sich eine solche schließlich entwickelt hängt von vielen Faktoren ab, die man gemeinsam, solidarisch und unterstützend zu einer radikalen Kritik und Praxis verändern kann. Nicht zuletzt braucht ein Streik wie kommenden Freitag vor allem Beteiligung. Wir rufen daher ebenfalls auf:
Beteiligt euch an den Aktionen von Fridays for Future! Kommt zur Kundgebung und Demonstration und sollte das nicht möglich sein, macht zumindest blau und geht nicht zur Arbeit.