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Corona, Klassenstandpunkt und was tun?

Redebeitrag auf der Kundgebung “Das System ist gemein – aber nicht geheim” am 20.06.20 in Osnabrück.

Seit Beginn der Corona-Krise wird seitens der Herrschenden noch stärker als sonst in die Köpfe gehämmert, dass wir alle im selben Boot sitzen würden. Die Corona-Pandemie als auch die sozialen Folgen, würden im Großen und Ganzen alle gleich treffen.

Dieses nationalistische Gebrabbel war schon vor Corona Quatsch, jetzt wird es aber immer lächerlicher und zynischer. Der Virus zeigt die Widersprüche und strukturellen Ungerechtigkeiten dieser kapitalistischen Gesellschaft vielmehr wie in einem Brennglas.

Das zeigt sich bereits bei der Möglichkeit das Ansteckungsrisiko zu verkleinern, so fällt es z.B. Menschen die eine schöne Wohnung mit Garten haben wohl leichter zuhause zu bleiben, als Menschen in Mietskasernen, und wer ein Auto hat, ist nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Es zeigt sich aber vor allem auch in der Lohnarbeit. Die Freizeit musste massiv eingeschränkt werden, was natürlich auch erstmal richtig ist, aber während hier Ansammlungen von bis zu zwei Personen verboten wurden, war es natürlich auf der Arbeit „kein Problem“. Sehr lange dauerte es in vielen Berufen bis es ausreichend Schutzausrüstung gab, in einigen gibt es immer noch keine und Risikozuschläge gibt es bis heute nicht. Stattdessen wurden von Staat und Kapital Anteilnahme geheuchelt und Arbeiter*innen der systemrelevanten Berufe zu Held*innen stilisiert. Als wären die Arbeitsbedingungen z.B. in der Pflege, an der Supermarktkasse, in der Fleischindustrie oder als Pakteboote nicht schon vor Corona beschissen gewesen. Grund zum Handeln war es offensichtlich nicht. Und die Stilisierung zu Held*innen? Mag es bei Ehrungen dieser Art von Seiten der Arbeiter*innen noch ehrlich zugehen und tatsächlich versucht werden, Anerkennung zu vermitteln, vielleicht auch aus einer gewissen Hilflosigkeit heraus, ist diese Art der „Ehrung“ von den Herrschenden und den Bossen nur zynisch und kalkulierend: Zynisch weil sie genau um die Zwangssituation der Arbeiter*innen, die Arbeitsbedingungen und die Höhe der Löhne Bescheid wissen, kalkulierend, weil man den moralischen Druck erhöht und die Kosten gering hält.

Dazu kam auch schon vor Corona ein Herr von Minijobber*innen, welche zu extrem schlechten Bedingungen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um z.B. eine kaputte Waschmaschine, ein defektes Fahrrad oder andere Lebensnotwendigkeiten reparieren oder ersetzen zu können, die mit Hartz 4 nicht bezahlbar sind. Für Gewerbetreibende, die aufgrund der Pandemie schließen mussten, sind diese Minijobber*innen überflüssig geworden.

Mittlerweile dürfte auch ziemlich deutlich sein was Olaf Scholz mit der Finanzhilfe aka der Bazooka meinte: Unternehmen bekommen eine ordentliche Finanzspritze, Arbeiter*innen gehen leer aus. Oder anders: Die Lufthansa bekommt 9 Milliarden €, Autokonzerne eine Abwrackprämie, Arbeiter*innen bekommen Applaus, und Schokolade (eine Senkung des Mindestlohns und die Einführung des 12 Stunden Tages.)

Frauen trifft es dabei nochmal zusätzlich: Sie arbeiten nicht nur überproportional oft in prekären Berufen, mit der Pandemie wurden auch Schulen und Kitas geschlossen und ein Großteil der Freizeit und der Sorgearbeit in die vier Wände verlagert. Und da diese Gesellschaft immer noch patriarchal ist und Frauen einen Großteil der Care-Arbeit leisten, müssen sie sich nun auf engem Raum unbezahlt um die Kinder kümmern, sind einer größeren Gefahr von patriarchaler Gewalt ausgesetzt.

Dabei haben die beschriebenen Symptome System. Sie sind Ausdruck einer Gesellschaft in der Profit schon immer über Menschen und ihren Lebensbedingungen stand. In der es sogar in aller Regel die Armut bzw. die niedrigen Löhne und damit auch die schlechten Lebensbedingungen sind, welche systemrelevant sind, denn je höher sie sind, desto höher ist der Abzug vom Gewinn.

Die kommende Wirtschaftskrise wird dabei natürlich keine Ausnahme sein. Wer glaubt, dass der Staat es schon mit sogenannten sozialen Maßnahmen richten wird, sei nicht nur auf die brutale Sparpolitik in Südeuropa während der Krise 2008 verwiesen, es reicht schon die Festellung, dass nunmal der Staatshaushalt aus den Gewinnen der Unternehmen finanziert wird, nicht umgekehrt. Das bedeutet, dass die Wirtschaftskrise hier wie anderswo auf dem Rücken der Arbeiter*innen ausgebügelt werden wird, wenn wir uns nicht wehren.

Wir sind also nicht im selben Boot mit den Herrschenden, sondern vielmehr mit den Arbeiter*innen auf dieser Welt.

Die sogenannten „Hygiene“-Demonstrant*innen haben jedoch zumindest in ihren Forderungen einige Überschneidungen mit den Herrschenden, wie zum Beispiel die Forderung nach der kompletten Aufhebung des Lockdowns. Während manche Politiker*innen und Unternehmer*innen einfach den Tod von Risikogruppen in Kauf nehmen wollen, leugnen sie schlicht die Gefahr durch Corona oder gleich den ganzen Virus. Ihr Begriff von Freiheit beschränkt sich auf die Freiheit des Marktes und des Eigentums, oder im Besuch einer Kneipe, es geht ihnen um die Wiederherstellung des „Normalvollzugs“ vor Corona. Doch dieser war schon vor Corona für viele Menschen kaum zu ertragen. Nichts desto trotz halten wir es für falsch, sich von den selbsternannten „Corona-Rebellen“ die politische Agenda vorgeben zu lassen und so nicht mehr eigene Positionen zu vertreten. So hat z.B. die real existierende Verschwörung, den 12 Stunden Tag einzuführen deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen, als einige Reaktionäre im Schneidersitz.

Gegen die sich verschärfenden Zustände hilft nur Solidarität und Organisierung. Damit sollten wir als Linke zu aller erst bei uns selbst anfangen.

Darüber hinaus sollten wir versuchen die nun offener zu Tage tretenen Widersprüche zu politisieren. Bei uns auf der Arbeit oder im Studium und natürlich mit Aktionen, Gelegenheiten gibt es gerade genügend. Und wir sollten die Widerstandsformen die es hier und in anderen Ländern schon gibt bekannter machen, wie z.B. den Mietstreik.

Solidarität und Klassenkampf statt Corona-Nationalismus!