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Antikapitalismus Soziale Kämpfe

Soliaktion für Westfleisch-Arbeiter*innen

Der Ausbruch des Coronavirus bei Westfleisch in Dissen hat die Öffentlichkeit im Osnabrücker Land in den letzten Wochen sehr beschäftigt. In der Berichterstattung wurden auch die beengten Wohnverhältnisse der Arbeiter*innen, die den Lohn drückenden Werksverträge über Subunternehmen und der mangelnde Infektionsschutz erwähnt. Der Aufhänger in der NOZ war aber immer die Sorge, ob durch die Infektionswelle mit mehr als 150 Erkrankten die Lockerungen der Corona-Maßnahmen für den Landkreis in Frage gestellt würden.
Für das marktbeherrschende bürgerliche Presseorgan stellte sich gar nicht erst die Frage, ob hier nach dem Corona-Ausbruch in Coesfeld (ebenfalls ein Westfleisch-Werk) nicht ganz bewusst die Gesundheit der vor allem osteuropäischen Arbeiter*innen dem Profit von Westfleisch geopfert wurde. Dabei war durch die sicherlich auch dem Westfleisch-Management bekannte Praxis der Subunternehmer, Arbeiter*innen je nach Bedarf zwischen verschiedenen Werken auszutauschen und durch die regelrecht kasernierten Wohnverhältnisse eine Verbreitung des SARS2 Virus auch nach Dissen nahezu vorprogrammiert.
Auch über die Versorgung der unter Quarantäne gestellten Arbeiter*innen mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs erfuhr man in der NOZ nichts. Vermutlich blieb dies dem Gesundheitsamt des Kreises überlassen, mithin also jenem Staatsorgan, welches den „Notbetrieb“ im Westfleisch-Werk auch nach Bekanntwerden der Coronainfektionen erlaubte.
Dieses Vorgehen ist ein Skandal im Skandal, da aus den Zeitungsartikeln herauszulesen war, dass von den im ersten Testdurchlauf noch negativ getesteten Arbeiterinnen im zweiten Durchgang 16 ein positives Ergebnis hatten. Also gerade jene, deren Arbeitskraft für die „Notzerlegung“ weiter ausgebeutet wurde und die somit während der Arbeit das Virus weitergeben konnten. Ein schönes Beispiel dafür, wie Staat und Kapital Hand in Hand vorgehen – selbstverständlich auf Kosten der Arbeiter*innenklasse.
Wir als LIKOS beschlossen angesichts der miesen Situation der Westfleisch-Arbeiter*innen, aktive Solidarität zu zeigen. Ausgerüstet mit Lebensmitteln, die der osteuropäischen Küche entsprechend ausgesucht worden waren, fuhren wir zu den beiden in NOZ-Artikeln erwähnten Massenunterkünften in Dissen und Hilter.
Da die Quarantäne bereits am 29. Mai aufgehoben worden war, gestaltete sich die Kommunikation etwas leichter als gedacht. Nachdem das Anliegen, Solidarität mit ihnen zu zeigen und ihre Arbeitsbedingungen zu skandalisieren erklärt worden war, nahmen die Arbeiter*innen die Lebensmittel gerne an und bedankten sich sehr freundlich.
Natürlich wäre statt einer solchen punktuellen Aktion, die ein wenig finanzielle Entlastung für die Arbeiter*innen bringt und Aufmerksamkeit für ihre Situation schafft, eine basisgewerkschaftliche Organisierung wünschenswert, um von unten im Betrieb Druck machen zu können. Leider ist die radikale Linke in der BRD – auch hier in Osnabrück – kaum irgendwo in der Lage, so etwas anzustoßen. Aber wir arbeiten daran!
Es bleibt also nur, weiter dafür zu kämpfen, dass die kurzfristige Aufmerksamkeit durch den Corona-Ausbruch nicht wieder völlig verschwindet. Das die nötigen Änderungen bei den momentanen Kräfteverhältnissen nur durch öffentlichen Druck auf Unternehmen wie Westfleisch möglich werden, hat die aktuelle Infektionswelle mehr als deutlich gemacht.
Folgendes Anschreiben haben wir den Arbeiter*innen überreicht:

Solidarität ist die Antwort

Liebe KollegInnen. Mit Sorge und Wut haben wir in den letzten Wochen beobachtet, wie Westfleisch Eure Gesundheit mit Füßen getreten hat. Nach dem Corona-Ausbruch in Coesfeld hätte die Firma das Werk hier in Dissen sofort zumachen müssen. Alle ArbeiterInnen hätten sofort einen Corona-Test gebraucht. Aber Ihnen geht es nicht um Euch, sondern um ihr Geld!
Auch das Gesundheitsamt des Kreises Osnabrück hat Euch sehr schlecht behandelt. Es war ein Verbrechen, dass im „Notbetrieb“ weitergearbeitet wurde, obwohl so viele krank waren. Schon sehr lange wussten alle Ämter, dass eure Wohnungen viel zu eng sind. Auch dass Euer Lohn so niedrig ist haben alle gewusst. Erst jetzt mit dem Corona-Virus wird darüber gesprochen. Aber bestimmt auch nicht lange.
Deswegen sind wir heute hier. Wir wollen allen Leuten zeigen, dass Ihr und Eure Arbeit wichtig seid. Mehr Geld, größere Wohnungen und eine Festanstellung sind das Mindeste, was ihr bekommen müsst! Ganz Dissen und ganz Osnabrück sollen sich erinnern, wie schlecht man Euch behandelt hat.
Wir wollen Solidarität zeigen und euch helfen, weil wir wissen, dass ArbeiterInnen vom Chef und vom Staat ausgebeutet und ungerecht behandelt werden. Nur wenn ArbeiterInnen zusammenhalten und sich wehren, können wir es schaffen, dass es allen besser geht. Wir hoffen das Essen schmeckt und hilft Euch, gut durch die Quarantäne zu kommen. Werdet schnell wieder gesund!
Eure FreundInnen von der Gruppe Libertäre Kommunist*innen Osnabrück (LIKOS)

Solidarity is the answer

English version
Dear colleagues. Over the past few weeks, we have watched with concern and anger how Westfleisch trod on your health. After the Corona outbreak in Coesfeld, the company should have closed the plant here in Dissen immediately. All workers should’ve been rapidly tested for Corona. But it’s never about you, it’s about their money!
The health department of the district of Osnabrück also treated you very badly. It was a crime that the plant continued in „emergency operation“, even though so many were sick. All officials have known for a long time that your apartments are much too small. Everyone knew that your wages were so low. Only now with the Corona virus is it talked about. But not for long either.
That’s why we’re here today. We want to show everyone that you and your work are important. More money, bigger apartments and a permanent job are the very least you deserve! All of Dissen and all of Osnabrück should remember how badly you were treated.
We want to show solidarity and help you because we know that workers are exploited and treated unfairly by the boss and the state. We can only improve life for everyone if workers stick together and fight back.
We hope the food tastes good and helps you to get through the quarantine well. Our best wishes for your quick recovery.
Your friends from the Libertarian Communists Osnabrück (LIKOS)