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Antifaschismus Texte

Organize against the right!

Redebeitrag auf der Demonstration “Die Rechte Welle brechen” am 23.09.17

In den letzten Tagen vor der Wahl wurden wir alle mit der moralisch überlegen daherkommenden Aufforderung belästigt, auf jeden Fall unsere Stimme abzugeben, um die sogenannte „Alternative für Deutschland“ aus dem Parlament rauszuhalten und so zu schwächen. Zum Erreichen dieses Ziels soll es ausreichen, ein Kreuzchen bei einer anderen Partei zu machen, am besten natürlich, so posaunen es sowohl staatliche als auch kommerzielle Medien in unsere Ohren, bei denen, die auch eine gute Chance haben, uns im Bundestag zu „vertreten“. Diese so vernünftig und demokratisch daherkommenden bürgerlichen Parolen haben jedoch mehr Löcher als ein Schweizer Käse – Selbst wenn die AfD wirklich draußen bleiben sollte, was realistisch betrachtet angesichts der Umfrageergebnisse nicht zu erwarten ist, wäre damit gegen die sich in den letzten Jahren immer bedrohlicher auftürmende Welle reaktionärer bis faschistischer Denkweisen in der Bevölkerung – und mit ihnen einhergehender mörderischer Taten – nur wenig erreicht.

Schließlich ist die AfD nicht Ursache, sondern Symptom einer gesellschaftlichen Entwicklung nach Rechts, auf die sie zwar fokussierend und stärkend zurückwirkt, die aber auch ganz ohne sie weiter ablaufen würde. Diese Tatsache lässt sich anhand von PEGIDA, HOGESA, als „Mahnwachen für den Frieden“ bekannten Querfronten oder den sogenannten „Reichsbürgern“ leicht zeigen, ganz besonders deutlich aber an der explosionsartigen Zunahme von rassistischen Anschlägen auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Kurz gesagt waren es die Weltkrise des Kapitalismus seit 2008/2009, ihre sich direkt anschließende, als „Eurokrise“ bezeichnete Verschiebung in die Staatshaushalte und die schon zuvor laufenden „Maßnahmen zur Stärkung des Standortes Deutschland“, auch bekannt als „Agenda 2010“, welche Abtiegsängste, Verteilungskämpfe und Ressentiments aller Art in der Bevölkerung über das unterm Kapitalismus ohnehin schon vorhandene hohe Niveau hinaus befeuerten.

Die Ankunft einer großen Menge vor Krieg und unerträglichen Zuständen flüchtender Menschen aus Regionen der Welt, die jahrzehntelang von imperialistischen Kriegen des Westens und furchtbarer Ausbeutung verwüstet worden sind, wurde zum durchaus willkommenen Anlaß, den bei sehr vielen Leuten tief verwurzelten, von den Lebensbedingungen in dieser Gesellschaft erzeugten nationalistischen, sozialdarwinistischen und rassistischen Ideologien vollends freien Lauf zu lassen. Auf die hilflosesten und ärmsten Menschen in der Gesellschaft kann bedenkenlos verbal und handgreiflich eingeschlagen werden, während mensch sich dabei auch noch in die bei Deutschen besonders beliebte Rolle des Opfers hineinsteigert und sich sicher ist, das national bis völkisch verstandene, tatsächlich vom Staat erzeugte Zwangskollektiv „Deutschland“, zu verteidigen.

Die Rechtsverschiebung und Verrohung des Bewußtseins in weiten Teilen der Bevölkerung wurde außerdem flankiert, gesteigert und legitimiert durch eine Unzahl staatlicher Maßnahmen, angefangen bei dem nur noch als sadistisch zu bezeichnenden Spardiktat gegen die Menschen in Griechenland und noch lange nicht endend bei der routinemäßigen Verschärfung und Verschlechterung der Asylgesetzgebung, dem menschenverachtenden Flüchtlingsdeal mit dem Autokraten Erdogan und dem ungerührten Ertrinkenlassen Abertausender Menschen im Mittelmeer. An dieser Stelle schließt sich der Kreis und wir kommen zurück zur Empfehlung, doch bitte CDU/SPD/GRÜNE/FDP/LINKE zu wählen, um die AfD an ihrem Durchmarsch zu hindern. Dabei sind es eben jene Parteien, die den jetzigen Zustand, jedenfalls im sehr beschränkten Rahmen ihrer realen Steuerungsfähigkeit, mit zu verantworten haben. Sie sind es, die jahrezehntelang eine Verschärfung von Ausbeutung und Unterdrückung (Hartz IV!), eine Rücknahme von bürgerlichen Grundrechten (Recht auf Asyl!) eine nutzenrassistische Selektion von Geflüchteten und MigrantInnen (Abschiebungen!) und eine standortnationalistische Außenpolitik (Griechenland!) betrieben haben. Das alles nicht aus Boshaftigkeit oder Dummheit, sondern in ihrer Funktion als Personaldienstleister für den ideellen Gesamtkapitalisten Staat, dessen Handeln immer am Inganghalten seiner ökonomischen Grundlage, dem Kapitalismus im eigenen nationalen Territorium, orientiert ist.

Die fundamental entgegengesetzten Interessen von Kapital und Proletarisierten, die ständige Konkurrenz aller um die eigenen Lebensgrundlagen, das Aufsaugen eines Großteils der Lebenszeit im Verwertungsprozess der Lohnarbeit, die ständige Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut, die Zerstörung unserer Umwelt, die aus der unverstandenen Gesamtheit dieser falschen Gesellschaft erwachsenden menschenfeindlichen Ideologien, etwa Faschismus – all diese Zumutungen der aktuellen Gesellschaftsform können nicht durch das Abgeben einer Stimme im bürgerlich-parlamentarischen Prozess beseitigt werden, weil sie ihm vorausgesetzt und seine Grundlage sind. Die AfD ist nicht das ganz große „Andere“, welches der irgendwie doch guten und gemütlichen „Mitte“ als Fremdköper gegenübersteht, sie ist nur die bisher schärfste Form, in der die Gesamttendenz der kapitalistichen Gesellschaft in der BRD des Jahres 2017 zum Ausdruck kommt. Wer nicht Symptome behandeln, sondern die Wurzeln des Übels angreifen will, muss radikal gegen die Verhältnisse handeln, welche die AfD produziert haben und stark machen. Dass ist keine Aufgabe fürs bürgerliche Parlament, für Parteien, Verfassungsschutz oder sonstige Unterabteilungen des Gesamtproblems, sondern für die Menschen an der Basis, in den Betrieben, in den Vierteln, überall wo wir uns selbst organisieren können um für eine sofortige Verbesserung unseres Lebens einzustehen und gezielt an der Aufhebung des schlechten Lebens zu arbeiten.

Kapitalismus abschaffen und Faschismus zerschlagen sind ein und derselbe Kampf! Für die befreite Gesellschaft!